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Erstaune nicht, aber schelte auch nicht; Du weißt, daß der Entschluß dazu schon
Anfang des Krieges meine Brust beherrschte. Schon, zwei Briefe von Freundinnen
erhielt ich, welche mir vorwarfen, ich sei fetg, da alles um mich entschlossen
ist in diesem ehrenvollen Kriege mitzukämpfen. Da wurde mem Entschluß un
umstößlich fest, ich war im Innern meiner Seele überzeugt, keine schlechte oder
leichtsinnige Tat zu begehen; denn sieh nur Spanien und Tirol, tote da die
Weiber und die Mädchen handelten! Ich verkaufte also mem Zeug, um mir erst
eine anständige Manneskleidung zu kaufen, bis ich Montierung erhielt dann
kaufte ich mir eine Büchse für acht Taler, Hirschfänger und Tschako, zusammen für
drei und einen halben Taler. Nun ging ich unter die schwarzen ^ager; meiner
Klugheit kannst Du zutrauen, daß ich unerkannt bleibe. Ich habe nur noch die
große Bitte, daß Du es Vätern vorträgst, so vorteilhaft wie möglich für mich . ..
^ch habe aus Vorsicht meinen Namen geändert; wenn Du mir schreibst, so unter
zeichne Dich mit meinem angenommenen Namen als mein Bruder; denn Du
weißt, Briefe haben mancherlei Schicksale. Wir exerzieren, tiraillieren und schießen
recht fleißig, woran ich sehr viel Vergnügen finde. Ich treffe auf 150 Schritt die
^ Lebe recht wohl, guter Bruder! Ehrenvoll oder nie siehst Du mich wieder.
Grüße Vater und Karolinen tausendmal; sage ihnen, versichere sie, daß mem Herz
stets gut und edel bleiben wird, daß keine Zeit, Schicksal oder Gelegenheit mich
zu Grausamkeiten oder bösen Handlungen verleiten soll, und daß mem Herz stets
treu und bieder für sie schlüge. Mit ewiger Liebe
Deine
Eleonore, genannt August Renz,
freiwilliger Jäger bei dem Lützowfchen Freikorps.
125.
Schleiermacher predigt Selbstaufopferung.
Quelle: Predigt Schleiermachers, gehalten am 28. März 1813.
Fundort: Friedr. Schleicrm ach ers sämtl. Werke. IL Abtlg. Predigten. Berlin. Bd. 4. S. 13.
... Das Gefühl, welches sonst, wenn der Staat in Krieg verwickelt war, nur
das Anteil von wenigen blieb, und um welches sie von den anderen bald be-
dauert wurden, bald beneidet, nämlich die Geliebtesten der Gefahr des Todes in
der Schlacht und den mancherlei Unfällen des Krieges ausgesetzt zu sehen: dieses
Gefühl will jetzt allgemein werden. Denn wer sollte nun nicht unter den Scharen
des Heeres oder der Landwehr, wenn nicht Vater, Gatten, Bruder und Sohn,
doch Verwandte, Zöglinge, Befreundete des Herzens eben jenen Gefahren ent-
gegengehen sehen? So laßt uns denn fühlen, daß wir deshalb nicht zu be-
dauern sind, sondern glücklich zu preisen, daß, je werter uns die Unsrigen sind,
um desto mehr wir auch alles Große und Ruhmreiche ihres Berufes mitempfinden
und uns aneignen sollen! Laßt uns, je mehr wir sie lieben als uns selbst, um
desto mehr, eben wie wir uns selbst dem Vaterlande mit Leib und Leben hm-
geben würden, wenn es uns riefe, so auch sie demselben von ganzem Herzen dar-
bringen und weihen! Manches teure Blut wird fließen, manches geliebte
Haupt wird fallen: laßt uns nicht durch zaghafte Trauer, durch weich-
lichen Schmerz das ruhmvolle Los verkümmern, sondern dahin sehen,