138 Das Mittelalter. Dritte Periode, 1254—1517.
war den Städten eine Verfemung, weil dann jeder ihre reisenden Kauf¬
leute ungestraft überfallen konnte; deshalb suchten sie selber Freistühle zu
erwerben, um ihre Widersacher dorthin vorzuladen. Der einzelne konnte
sich dadurch am besten schützen, daß er selber Schöffe wurde oder Schöffen
oder Freigrafen durch Geschenke für sich gewann. Nicht ohne Grund klagte
man, an den Freistühlen sei das Recht feil. Das Femgericht war auf
die Dauer unhaltbar. Die Richter waren ohne juristische Bildung, Be¬
weisverfahren und Berufung' auf ein Obergericht fehlten; 200 Freigerichte
bestanden gleichzeitig und gleichberechtigt, aber ohne abgegrenzten Bezirk
nebeneinander, oft war dieselbe Sache gleichzeitig bei mehreren Gerichten
anhängig, und weil diese ihre Urteile selten vollstrecken konnten, war dem
Meuchelmorde Tür und Tor geöffnet. Unter den Tausenden von Schöffen
waren auch viele unehrliche, die ihr Amt zur Befriedigung persönlicher
Rache oder zur Bereicherung benutzten. Zuerst wagten es brandenbnrgische
und sächsische Städte, sich der Ferne zu widersetzen; als dann auch Kaiser
Friedrich HL ihr seinen Schutz entzog, offenbarte sich bald ihre Ohn¬
macht. Durch die Errichtung des Reichskammergerichts (1495) und die
von den Fürsten eingeführte bessere Rechtspflege verlor die Ferne alle
Bedeutung; verachtet und verfolgt, fristete sie kümmerlich ihr Dasein, und
in diese Zeit gehören die Schilderungen der „heimlichen Gerichte", wie
sie aus Götz, Käthcheu von Heilbronn und Jmmermanns Münchhausen
bekannt sind. Der letzte Freigraf starb erst um 183CL
Dritte Periode.
beschichte der einzelnen Fürsten und Länder; 1254—1517.
Kaiser aus verschiedenen Häusern.
§ 39. Rudolf von Habsburg; 1373—1291.
a. Zustände im Reiche. Im Lause der Zeit wurde die Macht des
deutschen Königs immer mehr geschwächt. Die Fürsten waren in ihren
Gebieten selbständig geworden und dem Oberhaupte des Reichs nur dem
Namen nach untertan. Obenan standen diejenigen, auf die das Recht
überging, den deutschen König zu küren, d. i. zu wählen. Diese Kur¬
fürsten wußten durch besondere Wahlkapitulationen bei jeder Neu¬
wahl den König zur Gewährung 'neuer MM?°zu^erMtassen. Der Ge¬
wählte, der sich in seiner Macht also beschränkt sah, hatte selten den
Willen, für das Ganze zu sorgen, sondern suchte sich durch vorteilhafte
Heiraö, durch Kauf oder Einziehung eröffneter Lehen eine Haus macht,
m gründen. Um aber die kaiserliche Macht nicht durch Erbschaft stark
werden zu lassen, wählten die Fürsten die Kaiser aus verschiedenen Häusern.