Full text: Neue, speciell preußische Geschichte (Teil 3)

Wilhelm I. Bis zur Thronbesteigung. 157 
Premier-Lieutenant ernannt wurde, durfte er doch nicht mit ins Feld, 
so dringend er auch darum bat. „Wie kann ich vorwärts kommen, da 
ich hinter dem Ofen gesessen habe, während mein Regiment im Feuer 
war?" sprach der Prinz betrübt. Endlich, kurz nach der Schlacht bei 
Leipzig, bekam er unter gleichzeitiger Ernennung zum Kap itain (Haupt- 
mann) die langersehnte Erlaubnis. Er eilte denn auch nach einer kurzen 
Besichtigung des Schlachtfeldes von Leipzig zum Blücherschen Corps 
und war bei demselben, als es in der Neujahrsnacht 1813/4 den Rhein 
überschritt. In dem Kampfe um diesen Übergang hatte der Prinz die 
erste Gelegenheit, den blntigen Ernst eines Gefechtes kennen zu lernen; 
auch der Augenblick ließ nicht auf sich warten, in dem er die erste Probe 
persönlicher Tapferkeit ablegen sollte. 
In der Schlacht von Bar für Anbe nämlich wollte der König über den 
Namen eines Regimentes, welches sich durch seine Tapferkeit auszeichnete, Auskunft 
haben; er wandte sich deshalb plötzlich an feinen Sohn Wilhelm mit den Worten: 
„Reite doch zurück und erkundige Dich, was für ein Regiment das ist, und erforsche, 
von welchem Regimente die vielen Verwundeten sind, die sich jeden Augenblick mehren." 
Ohne sich zu besinnen, sprengte Wilhelm durch die fechtenden Bataillone nach der 
bezeichneten Stelle, ließ sich den Namen des Regiments sagen, zählte auch die Ver- 
mundeten nnd erstattete den Bericht. Noch lange wußten die alten Helden jenes 
Regiments von dem Eindruck zu erzählen, den das plötzliche Erscheinen des jungen 
Königssohnes im heftigsten Gewehrfeuer auf sie gemacht hatte. Der König sagte 
vorläufig über dies heldenmütige Verhalten kein Wort, belohnte aber bald darauf 
seinen Sohn mit dem eisernen Kreuze. Auch au den wilden Kämpfen um Paris 
nahm der Prinz teil und rückte dafür mit in die eroberte Hauptstadt des Feindes ein. 
c. Konfirmation; Heirat. Nach dem Kriege nahm Prinz Wilhelm 
seine unterbrochenen Studien sofort wieder auf; namentlich aber bereitete 
er sich auf die heilige Handlung der Konfirmation vor, die dann auch 
am 8. Juni 1815 in der Schloßkapelle zu Charlottenburg an ihm voll- 
zogen wurde. 
In seinem Glaubensbekenntnis sagte Prinz Wilhelm unter anderem: „Meine 
Kräfte gehören der Welt, dem Vaterlande. Ich will daher unablässig in dem mir 
angewiesenen Kreise thütig sein, meine Zeit auf das beste anwenden und soviel Gutes 
stiften, als in meinem Vermögen steht. Den Pflichten des Dienstes will ich mit 
großer Pünktlichkeit nachkommen und meine Untergebenen zwar mit Ernst zu ihrer 
Schuldigkeit anhalten, ihnen aber auch mit freundlicher Güte begegnen. Verderbte 
Menschen und Schmeichler will ich entschlossen von mir weisen. Die Besseren, die 
Geradesten, die Aufrichtigsten sollen mir die liebsten sein. Die will ich für meine 
wahren Freunde halten, die mir die Wahrheit sagen, wo sie mir mißfallen könnte." 
Bald nach der Feier mußte Wilhelm wieder ins Feld rücken. Er 
kam freilich zur Schlacht bei Waterloo zu spät, begleitete aber das Heer 
auf dem Zuge nach Paris und zog zum zweitenmale in dasselbe ein. 
Im Oktober kehrte er nach Berlin zurück. 
Bei der ausgesprochenen Vorliebe des Prinzen für das Militair- 
Wesen und bei seiner trefflichen Begabung für dasselbe konnte es nicht 
fehlen, daß er in den nun folgenden langen Friedensjahren bis zum 
Tode Friedrich Wilhelms III. die höchsten militärischen Posten erhielt 
und bei der Einrichtung des Heerwesens ein entscheidendes Wort hatte. 
Die Vermählung seiner Schwester Charlotte mit dem Großfürsten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.