Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit bis 1648 (Teil 2)

Die Karolinger. — Karl der Große. 67 
war weit verbreitet. An seinem gastfreien Hofe sah man neben dem ge- 
lehrten Mönche aus Italien den Saracenenhänptling aus Spanien, vor- 
nehme Sachsen in langem Linnengewande, den longobardischen Grafen 
in kurzem Purpurmantel, den er mit Pfauenfedern besetzt hatte, Avaren 
mit geflochtenem Haarzopf, dazwischen Gesandte des Kaisers von Byzanz, 
braune Mauren und schlanke Perser. Mit dem berühmten Kalifen Harun 
al Raschid von Bagdad am Tigris wechselte er Geschenke aus. Wohl 
war Karl ein Freund der Wissenschaft, aber erst als vierzigjähriger 
Mann konnte er seine Ausbildung beginnen. Der deutschen und latei- 
nischen Sprache war er mächtig, konnte ein griechisches Buch lesen und 
besaß eine natürliche Beredsamkeit. 
Im übrigen blieb er trotz alles 
Fleißes in den elementaren Fähig- 
feiten des Rechnens und Schrei- 
bens ein Anfänger, namentlich 
letzteres machte ihm fast uuüber- 
windliche Schwierigkeiten. In seinen 
letzten Lebensjahren verlor der 
Kaiser seine beiden ältesten Söhne, 
Pippin und Karl, durch den Tod. 
Als er sein Ende nahen fühlte, 
berief er die Großen seines Reiches 
nach Aachen, wo er in der von 
ihm erbauten Marienkirche vor 
versammeltem Volke seinem Sohne 
Ludwig die Pflichten eines Königs 
ans Herz legte. Nachdem dieser 
gelobt hatte, mit Gottes Hilfe den Fig. 8. Kleines Bronzestandbild Karls d. Gr. 
väterlichen Worten nachzuleben, (in Paris). 
mußte er sich selbst die Krone aussetzen. Bald darauf starb der große Kaiser. 
Uber seiner Gruft in der Marienkirche zu Aachen errichtete man einen 
vergoldeten Bogen mit der Inschrift: „Unter diesem Grabmal liegt der Leib 
Karls des großen und rechtgläubigen Kaisers, der das Reich der Franken 
herrlich vergrößert und 47 Jahre hindurch glücklich regiert hat. Er starb, ein 
siebzigjähriger Greis, im Jahre des Herrn 814 am 28. Januar." Jetzt 
trägt die Grabstelle eine einfache Metallplatte mit der Inschrift: „Carßlus 
Magnus." 
Fig. 8 ist eine Nachbildung der 1871 nach dem Aufstande der Pariser Kommune 
unter den Trümmern des eingeäscherten Stadthauses gefundenen, kaum 1li m hohen 
Statue, des einzigen glaubhaften Bildes Karls des Großen. 
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