§ 32. Die Kreuzzüge.
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gelegentlich einer Pilgerfahrt die Greuel der Verwüstung an Ort und
Stelle gesehen, die Roheit der Türken am eigenen Leibe erfahren und
war 1094 nach Europa zurückgekehrt. Auf Geheiß des Papstes zog
er, in eine Mönchskutte gekleidet und auf einem Esel reitend, ent¬
blößten Hauptes durch Italien und Frankreich und entflammte aller¬
orten durch eine ergreifende Schilderung der Mühsale und Leiden der
Pilger die Herzen für die Befreiung des Heiligen Landes.
Nachdem so die Gemüter vorbereitet und empfänglich gemacht . äWn=
J 1 o / d Versammlung zu
worden waren, berief Urban II. eine Krrchenversammlnng siermont.
nach (Element in Südfrankreich (1095). Erzbischöfe, Bischöfe, Ritter,
Handwerker und Bauern erschienen in unübersehbarer Menge. In
hinreißender Rede forderte der Papst zur Bekämpfung der Türken
auf. Die Wirkung war eine gewaltige. In den Anwesenden regte sich
das Bewußtsein, daß der Feldzug zur Befreiung des Heiligen Grabes
der Wille Gottes sei, und darin wurzelte der Glaube an seine Mög¬
lichkeit, sowie die Erkenntnis seiner Notwendigkeit. Der vieltansend-
stimmige Ruf: „Gott will es! Gott will es!" bekundete, daß alle
Hörer bereit waren, Streiter Christi zu werden. Als äußeres Zeichen
der Beteiligung am Unternehmen hefteten sie ein rotes Kreuz auf die
Schulter und begaben sich dann in die Heimat, wohin sie nun auch
die in ihnen angefachte Begeisterung verpflanzten.
4. Mit regstem Eifer betrieben geistliche und weltliche Große, ^9^-1099
insbesondere in Frankreich und Italien, die Zurüstungen zum Zuge.
Sie waren noch nicht beendet, da brachen voller Ungeduld im Früh¬
jahre 1096 ungeordnete Scharen unter Peter von Amiens und
dem Abenteurer Walther von Habenichts nach dem Heiligen
Lande auf. Allein sie gelangten nicht zum Ziel; die meisten von
ihnen erlagen auf dem Wege, in Ungarn, Bulgarien und in Klein¬
asien, dem Hunger, den Anstrengungen und dem Schwerte; die anderen
kehrten enttäuscht zurück. Weit glücklicher als dieser Vortrab war das
Hauptheer, dessen Kern aus französischen, normannischen und italienischen
Rittern bestand und das mehrere hunderttausend Teilnehmer umfaßte.
An die Spitze desselben stellte man Gottfried von Bouillon, Her- a) Anführer,
zog von Niederlothringen, „das Musterbild eines frommen und weisen
christlichen Streiters". Andere Führer waren sein Bruder Balduin
von Flandern, Graf Raimund von Toulouse und Graf
Robert von der Normandie.
Im Herbste 1096 setzte sich das Heer in Bewegung. Ein Teil b) Wege,
schlug den Weg über Italien ein, ein Teil (Gottfried vonBouillon)
zog durch Deutschland, Ungarn, Bulgarien. In Konstantinopel er¬
folgte die Vereinigung. Die Fortsetzung des Zuges führte quer durch
Kleinasien, über Nieäa, Doryläum, Jkonium, dann die Ost¬
küste des Mittelmeeres entlang über Antiochia, Tripolis, Sidon,