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„Papa" Wrangel der harrenden Menge zurief: „Kinder, es steht
alles gut; es ist ein tüchtiger, derber Rekrut, wie man ihn nur ver-
langen kann." Auf die Erziehung des Prinzen wurde die größte Sorg-
falt verwandt; von Anfang an suchten die beiden Eltern die Bildung
ihres begabten Sohnes möglichst vielseitig zu gestalten. Bis zu
seinem sechsten Lebensjahre stand Prinz Wilhelm ausschließlich
unter der Obhut seiner Mutter. Dann erhielt er einen militärischen
Erzieher, der die Aufgabe hatte, aus dem Prinzen einen tüchtigen
Soldaten zu machen. Die wissenschaftliche Ausbildung übernahm
Dr. Hinzpeter: er war ein geschickter Lehrer und ein vortreff-
licher Charakter. Unter feiner Leitung erteilten dem Prinzen noch
andere Lehrer Unterricht. Oftmals besuchten der Kronprinz und
die Kronprinzessin die Unterrichtsstunden, um sich von den
Leistungen ihres Kindes zu überzeugen. Die gleiche Sorgfalt
wurde auf die körperliche Ausbildung des Prinzen gelegt. Er
galt bald als ein ausgezeichneter Turner, kühner Schwimmer und
geschickter Reiter. Zur Stärkung der Gesundheit und zur Kräfti-
gung des Körpers dienten auch längere Fußreisen, die Prinz
Wilhelm unter der Leitung seines Erziehers nach dem Harze, dem
Riesengebirge, dem Schwarzwalde und Thüringen unternahm.
Am 1. September 1874 fand in der Friedenskirche zu Pots-
dam die Konfirmation statt. Der Prinz gelobte öffentlich, Gott,
den Heiland und alle Menschen zu lieben. Sein selbstverfaßtes
Glaubensbekenntnis schloß mit den Worten: „Ich weiß, schwere
Ausgaben warten meiner im Leben, aber dies soll meinen Mut
stählen, nicht niederdrücken."
Nach der Einsegnung wurde Prinz Wilhelm mit seinem
jüngeren Bruder Heinrich dem Gymnasium zu Kassel über-
geben. Es war das erstemal, daß der zukünftige Erbe der
preußischen Königskrone mit den Schulbüchern unter dem Arme
eine öffentliche Schule betrat. Eine Bevorzugung der beiden
Prinzen wurde weder gewünscht noch geduldet; sie hatten sich in
allen Dingen der Zucht und der Ordnung zu fügen und alle
Pflichten getreulich zu erfüllen. Prinz Wilhelm war ein muster¬
hafter Schüler, er war fleißig, pünktlich, gehorsam und aufmerksam.
Seinen Mitschülern gegenüber war er stets freundlich, offen und
liebenswürdig. Er ging mit ihnen während der Zwischenpausen
auf dem Schulhofe spazieren oder unternahm mit ihnen an freien
Nachmittagen Ausflüge in die Umgegend von Kassel. Im Sommer
wohnten die Prinzen in dem herrlichen Schlosse Wilhelmshöhe,
im Winter dagegen lebten sie in dem Fürstenhause, das in un-
mittelbarer Nähe der Schulanstalt lag. Im Jahre 1877 legte
Prinz Wilhelm die Abgangsprüfung ab. Er bestand fie in ehren¬
voller Weife. Er erhielt eine von den drei Münzen, die an die
besten und fleißigsten Schüler der ersten Klaffe verteilt wurden.
Bei der Überreichung der Denkmünze betdaß
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