§ 2. Spanien und Portugal. 7
Seiten. Im Jahre 1640 riß sich Portugal wieder von Spanien los (f. S.8),
der Westfälische Frieden besiegelte den Verlust der nördlichen nieder-
ländischen Provinzen, und der Pyrenäische Frieden nötigte Spanien
zu demütigenden Abtretungen an Frankreich (s. S. 5). Als Philipp IV.
1665 starb, folgte ihm sein 4jähriger überaus schwächlicher Sohn Karl II.
2. Das goldene Zeitalter der spanischen Kunst. Während in dieser
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Spanien sein Übergewicht in Europa
einbüßte und seinem wirtschaftlichen Zusammenbruch entgegenging, erlebte
es in den Künsten sein goldenes Zeitalter. Die Architektur, in der Architektur,
das spanische Volk dank dem maurischen Einflüsse Vollendetes geleistet hatte,
wußte auch dem Barockstil, in den um diese Zeit die Hochrenaissance
überging, seine Lichtseiten abzugewinnen und trotz der starken Hervor-
kehrung des Malerischen und Formlosen, in das sich die gesetzmäßige
Strenge und die in sich begründete Form auflöste, vom dekorativen Ge-
fichtspunkte aus großartige Leistungen hervorzubringen (Kathedrale zu
Saragossa). Als eigentümliches Element des spanischen Nationalgeistes
traten sowohl in der Skulptur, die in naturalistisch durchgebildeten und Skulptur und
tief empfundenen Statuettengruppen der Barockzeit ihr Bestes gab, als TOaIem'
auch ganz besonders in der Malerei ein starker Wirklichkeitssinn
(Realismus) und eine tiefe katholische Devotion in den Vordergrund.
Die oft der Märtyrerlegende und dem Asketentum entnommenen Stoffe
des Ribera (hl. Hieronymus in Berlin), die durch rücksichtslosen Wahr-
heitssinn ausgezeichneten Porträtbilder des Velasquez (Papst Jnnocenz X.
im Palazzo Doria in Rom) und die Darstellungen MurUlos aus dem
täglichen Leben oder den biblisch-kirchlichen Erzählungen (die melonen-
essenden Gassenjungen in München, der hl. Antonius mit Christuskind in
Berlin, zahlreiche Madonnenbilder im Prado zu Madrid) geben in ihrer
realistischen Naturwahrheit, zartesten Empfindung und koloristischen Kühn-
heit der spanischen Malerei dieser Zeit eine ehrenvolle Stelle in der all¬
gemeinen Kunstgeschichte und wirken namentlich auch durch den Versuch
der Lösung optischer Probleme noch auf die Malerei unserer Tage ein.
Nicht geringere Namen weist jene Periode in der schönen Literatur sit«atur.
auf. Hier ist vor allen, obwohl noch mit dem größeren Teile seines
Lebens dem 16. Jahrhundert angehörend, Miguel de Cervantes zu
nennen, der den auch schon in der italienischen Literatur vorhandenen
Schelmenroman in seinem „Don Quixote" durch die Verbindung von
Idealismus und Realismus zum humoristischen Roman fortbildete und
in seinen „Novellen" die Prosadichtung der Weltliteratur bereicherte; im
Drama dagegen stand er seinem jüngeren Zeitgenossen und Nebenbuhler
Tommaso Aniello gen. Masaniello 1647 in Neapel erregte. Das tragische Schicksal
dieses nach der Regierung weniger Tage in Irrsinn verfallenen und später erschossenen
Volkshelden bildet den Inhalt von Anders Oper „Die Stumme von Portici".