Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 9)

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Vierter Zeitraum von 1852 bis zur Gegenwart. 
teils der Aufklärung (Arbeiterbildungsvereine, Fortbildungsschulen, 
Vereine zur Verbreitung guter Volksbücher), teils der Förderung ihrer 
wirtschaftlichen Interessen (Regelung der Arbeitszeit und der Lohn- 
höhe, Unterstützungskassen) dienen sollten (die Hirsch-Dnnkerschen Ge- 
werkvereiueX Während diese gutgemeinten Unternehmungen auf dem 
Grundsatze des freien Spiels der Kräfte (Manchestertnm) beruhten, 
fingen zu gleicher Zeit die Vertreter der wissenschaftlichen Volkswirt- 
schaftslehre, von ihren Gegnern „Kathedersozialisten" genannt, an, den 
Staatlich^Maß-Schutz der wirtschaftlich Schwachen als eine Staatsaufgabe zu 
^emberb°!schast bezeichnen. Da bekannte sich Kaiser Wilhelm I., dem es ferne lag, das 
KaiserWUhelmsi, irregeleitete Proletariat die furchtbare Kränkung, die er erlitten hatte, 
entgelten zu lassen, zu dieser Forderung und ermunterte durch die ewig 
denkwürdige Botschaft vom 17. November 1881 den Reichstag, die 
nötigen sozialen Reformen durch die staatliche Gesetzgebung in 
die Wege zu leiten. Es erfolgte in den nächsten Jahren der Ausbau 
einen Rechtsanspruch auf Unterstützung im Falle von Unfall, Krank- 
heit, Invalidität und bei hohem Alter1) gewährte. Dies geschah durch die 
Gesetze betreffend die Krankenversicherung (1883),^bie l}nfjilüvfu^ 
s ich er int ß (1884) und die Invaliditäts- und Altersversicherung 
öer'Urbel'ter (1889), wobei der Staat die sittliche Pflicht der Selbst- 
Hilfe mit der öffentlichen Pflicht der Unterstützung der Schwachen 
verband und neben dem Reichszuschuß die Arbeiter selbst und die 
Arbeitgeber — bei der Unfallversicherung diese ausschließlich — zu den 
Beiträgen heranzogt). Diese soziale Gesetzgebung, deren Ausführung 
das Reichsversicherungsamt überwacht und die noch keineswegs abge- 
schlössen ist — von 1910 an tritt auch eine Reichswitwen- und Waisen- 
Versicherung in Kraft —, fand unter Kaiser Wilhelm II., der mit Wärme 
für die Idee des sozialen Kaisertums eintritt, eine Ergänzung in der 
DieArbeiterschuh-Arbeiterschntzgesetzgebung, die darauf ausgeht, durch geeignete Ge- 
gesetzgebung. ^ ^ag Leben, die Gesnndheit und die Sittlichkeit der Lohn- 
arbeitet zu schützen (Novelle zur Gewerbeordnung von 1891). Ans 
dieser einem praktischen Christentum entsprungenen Fürsorge für die 
arbeitenden Klassen sind im Laufe der letzten Jahrzehnte eine große 
Zahl weiterer privater und öffentlicher Wohlfahrtseinrichtungen 
1) In Frankreich, das, wie andere Kulturländer, Deutschland in der sozialen 
Reform gefolgt ist, beginnt die Altersversorgung schon mit dein 60. Jahre, während 
in Deutschland die Altersgrenze bis auf das 70. hinaufgerückt worden ist. Hier 
ist also der Weg für die Fortführung und Verbesserung unserer sozialen Gesetzgebung 
deutlich gewiesen. 
2) Für die Arbeiter Versicherung werden jährlich 500 Millionen Mark ver¬ 
ausgabt, von denen die Hälfte die Arbeitgeber, 200 Millionen die Arbeitnehmer und 
50 Millionen das Reich aufbringen. 
Die Arbeiterver- der 
sicherung, • 
, die dem Arbeiter (und der Arbeiterin)
	        
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