während die Franzosen ihre Festungsgeschütze brüllen ließen. Denkwürdig
waren Tag und Ort dieser Verkündigung. In Versailles, wo Ludwig XIV,
so oft auf Deutschlands Erniedrigung und Zersplitterung gesonnen, ward
Deutschlands Macht und Einigkeit besiegelt. Am 18. Januar 1701 ward>
Preußens Herrscher zum König erhoben. So ward der 18. Januar zu
einem doppelten Ehren- und Ruhmestag der Hohenzollern und zum
Geburtstage des Deutschen Reiches. Es war eine erhebende Feier, der
viele deutsche Fürsten, Heerführer, Staatsmänner und Würdenträger bei¬
wohnten. „Du setzest ihm eine goldene Krone auf sein Haupt", las der
Prediger aus dem 21. Psalm. Dann erklärte König Wilhelm, daß er die
ihm freiwillig angebotene deutsche Kaiserwürde annehme. Bismarck verlas-
mit markiger Stimme die wichtige Urkunde der Kaiserausrufung, während-
der Großherzog von Baden das erste Hoch auf den Neuen Deutschen Kaiser
Wilhelm I. den Großen und Siegreichen ausbrachte, in das alle begeistert
einstimmten. Brausend erklang das Sieb: „Heil dir im Siegerkranz“r
und zum erstenmal erscholl von aller Lippen: „Heil Kaiser dir!""
Der ritterliche Kronprinz Friedrich Wilhelm huldigte zuerst seinem Vater
und Kaiser, und ihm folgten sodann die anderen. In der Ansprache aber
gelobte der greise Heldenkaiser: „Wir betrachten es als eine Pflicht gegen
das gemeinsame Vaterland, dem Rufe der verbündeten deutschen Fürsten
und Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserwürde anzunehmen.
Wir übernehmen die kaiserliche Würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in
deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen,
den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt aus die
geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Wir nehmen sie an in der
Hoffnung, daß dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn seiner
heißen und opfermütigen Kämpfe in dauerndem Frieden und innerhalb der
Grenzen zu genießen, welche dem Vaterlande die seit Jahrhunderten entbehrte
Sicherung gegen erneute Angriffe Frankreichs gewähren. Uns aber und-
unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer
des Deutschen Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondenr
an den Gütern und Gaben des Friedens, auf dem Gebiete nationaler
Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung."
^ 2. Einheit des Reiches. Ganz Deutschland erhielt ein Heer, dessen
Oberbefehlshaber der Kaiser ist. Auch wurde die Flotte vergrößert, damit
die Deutschen auf dem Meere und im Auslande geschützt werden können.
Die Münzen, Maße und Gewichte waren früher sehr verschieden; denn
jedes Land hatte eine andere Elle und andere Pfunde. In diesen Dingew
schaffte man Einheit im Deutschen Reiche. Überall wird nun nach der
Mark gerechnet, mit dem Meter gemessen und mit dem Kilogramm ge¬
wogen. Auch die Post- und die Fernschreib- und Fernsprecheinrichtungen
sind Reichssache, nur Bayern hat noch eigene Post und eigene Marken.
Desgleichen ward in den Strafgesetzen für Mord, Totschlag, Diebstahl,
Betrug usw. Einheit geschaffen und in Leipzig ein Reichsgericht errichtet.
Diese Gesetze muß zuerst der Bundesrat und dann der Reichstag, der aus
397 vom Volke gewählten Abgeordneten besteht, beraten. Gesetzeskraft
aber erlangen sie erst, nachdem sie der Kaiser nebst dem Kanzler unter¬
zeichnet und veröffentlicht hat.