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Vierter Zeitraum.
Einige Züge aus dem Leben Friedrichs III.
1.
Im Jahre 1885 war der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm zur
Jagd in Eberswalde. Nach der Jagd drängten sich mehrere Knaben dicht an
die Jäger heran. Ein kleiner, etwa zehnjähriger Bursche stand neben einem
stattlichen Herrn und sagte laut zu seinen Kameraden: „Wie gern möchte ich
den Kronprinzen sehen!" Da wandte sich plötzlich der stattliche Herr zur Seite,
trat hinter den Knaben und hielt ihm die Augen zu. Der Knabe glaubte, es
wäre ein Schulkamerad, der sich diesen Scherz erlaubte und ries aus: „Bist
du es, Fritze?" Da ertönte lachend eine Stimme hinter ihm: „Ja wohl,
mein Sohn, du hast recht, der Fritz ist es." Es war der Kronprinz gewesen,'
der dem Knaben die Augen zugehalten hatte.
2.
Eine in Berlin wohnende Fran weiß nachstehendes zu erzählen: „Es war
in der Mitte der sechziger Jahre, als mein Vater krank wurde. Im Bette hatte
er eine Anzahl von „Schäfchen" und „Böcken" angefertigt. Mit diesen ging
ich am Nachmittag des heiligen Weihnachtstages auf den Weihnachtsmarkt.
Ich weiß nicht, wie lange ich zitternd vor Frost meine Ware den Markt¬
besuchern feilgeboten hatte. Nur weiß ich, daß ich von größeren Knaben über¬
schrieen wurde. So nahte der Abend heran. Unfähig, mich noch länger auf
den Füßen zu halten, trat ich mit zwei Groschen Einnahme den Heimweg
weinend an. Plötzlich fühlte ich mich von einer Hand berührt. Ich drehte
mich um und sah in das bärtige Gesicht eines stattlichen Herrn. Dieser sprach
mit seinen Begleitern einige Worte und fragte dann: „Was kostet denn ein
Schäfchen und ein Bock?" Ich erwiderte: „Fünf Pfennig ein Schäfchen und
Zehn Pfennig ein Bock." Freundlich lächelnd sagte er: „Du Kleine, du bist
aber sehr teuer mit deinen Schafen und Böcken." „Ja", meinte ich, „Herr,
meine Schäfchen und Böcke find aber viel feiner als die der anderen Jungen."
Der Herr besah sich meine Ware. Dann wandte er sich wieder an feinen Be¬
gleiter, streichelte mir die Backen und fragte mich nach meinen Verhältnissen.
Bald kehrte der andere Herr mit einem Diener zurück, und ich mußte meine
nicht verkaufte Ware dem Diener geben. Daraus gab mir der große Herr ein
Goldstück und einen Thaler, wünschte mir glückliche Feiertage und sagte: „Das
Goldstück giebst du Muttern, den Thaler behältst du für dich, kaufst dir davon
etwas zu essen und fährst dann nach Hause. Adieu!" Ich hatte keine Zeit,
mich für die Geschenke zu bedanken, denn die Herren hatten sich sofort entfernt.
Leute aber kamen auf mich zu und fragten: „Kennst du den Herrn, Kind?"
„Nein, gar nicht", antwortete ich, noch immer erstaunt über das gute Geschäft.
Sch erfuhr dann, daß der schöne, vornehme Herr kein Geringerer gewesen war,
als der damalige Kronprinz, unser späterer Kaiser Friedrich.