Full text: Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart

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Der erste Schritt war gethan; nunmehr trat Mendelssohn auch mit ent¬ 
schiedenem Forderungen für seine Glaubensgenossen auf. Als Anhang zu Dohm’s 
Schrift „Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden“ liess er die von M. Herz 
ins Deutsche übersetzte „Rettung der Juden“ von Menasse ben Israel erscheinen 
und begleitete sie mit einer Vorrede, in der er die gegen die Juden herrschenden 
Vorurtheile bekämpfte und sich über die Grundsätze ausliess, auf welchen das 
grosse Gebäude der Judenemancipation beruhe. Eine weitere Ausführung dieser 
Arbeit gab er in seinem Werke „Jerusalem oder über religiöse Macht und 
Judenthum“ (1783). Mit grosser Klarheit und Schärfe entwickelt er in diesem 
selbst von Kant bewunderten Buche das Verhältniss von Staat und Kirche und 
dringt energisch auf Beseitigung jedes Bann- und Ausschliessungrechtes in Kirche 
und Synagoge. Ihm ist das Ideal nicht Glaubenseinheit, sondern Glaubensfreiheit. 
Wie er selbst alle Ceremonien aufs genaueste übte, so forderte er auch, dass 
seine Glaubensbrüder die religiösen Gesetze gewissenhaft befolgten. 
Am 15. Februar 1781 wurde ihm Lessing von der Seite gerissen. Der 
Tod dieses seines besten Freundes hatte ihn in einen unerquicklichen Streit mit 
dem Philosophen Jacobi verwickelt. Um Lessing vor dem Vorwurf des 
Spinozismus zu retten, veröffentlichte er 1785 die „Morgenstunden“; es sind das 
Betrachtungen über das Dasein Gottes, über Spinoza, über den Einfluss der reli¬ 
giösen Ueberzeugung u. dgl. m., Betrachtungen, die er in den Morgenstunden 
seinem hoffnungsvollen Sohne Joseph und dessen Schwestern Dorothea und 
Recha, sowie den beiden Humboldt vortrug. Der Streit, der grössere Dimen¬ 
sionen annahm, versetzte ihn in die grösste Aufregung. Um den Gegner zu be¬ 
leuchten, schrieb er „an die Freunde Lessing’s“. Am letzten December des 
Jahres 1785 trug er das Manuscript zu seinem Verleger, bald darauf wurde er 
krank und starb am 4. Januar 1786. 
Mendelssohn hat sich unsterbliche Verdienste um die Juden erworben. Er 
hat ihren Geschmack geläutert und, indem er ihnen durch die Uebersetzung des 
Pentateuchs und der Psalmen die deutsche Sprache zugänglich machte, der 
bessern Auslegekunst der heiligen Schriften, wie deren philosophischer Auffassung 
den Weg gebahnt; er war der dritte Moses, der seine Glaubensgenossen vom 
Joche fremder Ansichten befreite, den Christen eine bessere Meinung von Juden 
und Judenthum beibrachte und beide in nähere Verbindung führte. Auch die 
deutsche Sprache verdankt ihm einen Theil ihrer Bildung, die Wissenschaft 
aber und die Philosophie neben scharfsinnigen Ideen ein gefälligeres Gewand; 
denn er war der Erste, der den Versuch machte, nach dem Muster griechischer 
Weisen philosophische Grundsätze gesprächsweise zu entwickeln. Ein Freund 
Mendelssohn’s bekundete von Letzterem: „Was von dem Manne öffentlich vor der 
Welt geglänzt hat, war der kleinste Theil seines Werthes; nicht einmal sein 
Geist kann aus seinen Werken nach Würden geschätzt werden, so voll mannick- 
faltiger Kenntnisse, so geschmackvoll und scharfsinnig sie auch sind.“ 
§ 2. Moses Mendelssohn’s Freunde und Jünger. 
Die Freunde und Jünger Moses Mendelssohn’s führten nach seinem Tode 
das von ihm begonnene Werk der Bildung seines Volkes fort. Der Gesinnung
	        
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