382 Hebung des Bauernstandes.
einer eigenen lebendigen Thätigkeit angeregt werden. Alle in der Nation vor¬
handenen Kräfte sollten für ihre eigenen höheren Interessen, für ihre Natio¬
nal- und Eommu'nalangelegenheiten in Anspruch genommen und hierdurch am
sichersten Vaterlandsliebe und Gemeingeist erzielt werden. Als leitender
Grundsatz der Regierung wurde deshalb ausgesprochen, einem Jeden inner¬
halb der gesetzlichen Schranken die möglichst freie Entwickelung und Anwen¬
dung seiner Anlagen. Fähigkeiten und Kräfte zu gestatten, und alle hiergegen
noch obwaltenden Hindernisse baldmöglichst auf gesetzmäßige Weise hinweg¬
zuräumen. Zugleich sollte besonders auf die Belebung der einzelnen
Stände gewirkt, in jedem Stande Thätigkeit, Einsicht, Selbstgefühl und
Hingabe für das Vaterland erzeugt werden.
Zunächst richtete die Regierung ihr Augenmerk auf den Bauernstand.
Man hatte ein durch den Krieg verödetes, ausgesogenes Land zurückbekom¬
men, vor allen Dingen galt es daher, dem Lande seinen Ackerbau wieder zu
verschaffen, den Stand der Landbauer zu heben. Mit einzelnen Unter¬
stützungen war bei der großen Noth wenig gethan, der allgemeinen Bedräng-
niß mußte durch allgemeine Mittel begegnet, die Selbstthätigkeit der Bauern
durch eine günstige Aenderung ihrer ganzen Lage angespornt werden. Der
Bauernstand war großeutheils noch persönlich unfrei, wenn auch nicht leib¬
eigen, doch dem Gutsherrn erbuuterthänig: der Bauer war mit seiner Person
an das Gut, an die Scholle, auf der er geboren war, gebunden, seine Kinder
durften nicht ohne Erlaubniß des Gutsherrn in fremde Dienste gehen, seine
Töchter nicht ohne des Gutsherrn Wissen und Willen sich verheirathen, —
der Acker, den er bearbeitete, gehörte ihm nicht als freies Eigenthum, sondern
nur zum Nießbrauch, der eigentliche Besitzer war der Gutsherr, dem er für
die Benutzung vielfache schwere Frohndienste, Natural-Lieferungen und Geld¬
abgaben leisten mußte. Bei einem so gedrückten Verhältnisse konnte eine
Hebung des Bauernstandes zu lebendiger, freudiger Thätigkeit nicht erwartet
werden; denn es fehlte dem Bauer, der nicht selbst Besitzer war, der kräf¬
tigste Anreiz, den Grund uud Bodeu zu verbessern. Deshalb beschloß der
König, einen freien Bauernstand in Preußen zu schaffen. Die Aufhebung
der Erbunterthänigkeit war seit seinem Regierungsantritte sein Ziel gewesen,
jetzt wurde er durch die unglückliche Lage des Landes zur Beschleunigung dieses
Schrittes genöthigt. Schon im October 1807 erschien eine Cabinetsordre,
betreffend die Aushebung der Erbunterthänigkeit auf sämmtlichen
preußischen Domänen. Unter Berufung auf ein Edict Friedrich Wil-
helm's I. bestimmte der König, daß auf sämmtlichen Domänen vom 1. Juni
1808 schlechterdings keine Eigenbehörigkeit, Leibeigenschaft, Erbunterthänig¬
keit oder Gutspflicht mehr stattfinden sollte. Er erklärte vielmehr alle Do¬
mänen - Einsassen für freie, von allen Folgen der Erbunterthänigkeit unab¬
hängige Menschen und auch entbunden von dem Gesindezwange und Loskaufs-
gelde beim Verziehen. — Gleichfalls im October 1807 erschien ein Edict,
betreffend denerleichtertenBesitzunddenfreienGebrauchdes
Grundeigenthums, sowie die persönlichen Verhältnisse der
Landbewohner, durch welches den Bürgerlichen der Erwerb adeliger
Güter und umgekehrt gestattet, sowie überhaupt die freie Verfügung über das
G^rundeigenthnm behufs Verbesserung der Cultur erleichtert und zugleich be-