Full text: Blüchers Zug von Auerstedt bis Ratkau und Lübecks Schreckenstage (1806)

des zurückwiesen. Zn der übrigen Stadt war das Handgemenge 
ebenso mörderisch und zog sich noch einige Zeit hin, bis alles, 
was sich an Preußen dort fand, tot oder gefangen oder auf 
der Flucht war. Man schlug sich bis in das Innere der Häuser, 
wohin unsere Soldaten die preußischen Jäger verfolgten, in 
die Zimmer, ja bis auf die Dächer. Mehrere Einwohner wur¬ 
den während des Kampfes getötet. Hus der Zahl der Toten 
hebe ich besonders einen sehr achtbaren Mann hervor, den 
Pfarrer der Burgkirche, Stoltervoot, dessen Verlust Gegen¬ 
stand allgemeinen Schmerzes war: ein junger, interessanter 
Mann, der inmitten seiner Familie getötet wurde, und außer 
ihm viele andere. In unserer Nachbarschaft sogar zählte man 
nicht weniger als drei auf solche IDeife Getötete. Mehrere 
Kugeln durchschlugen die Fenster des Saales, wo der versam¬ 
melte Senat mit Standhaftigkeit den Ausgang des Kampfes er¬ 
wartete, und eine derselben siel zu den Füßen des Herrn R. nieder, 
nachdem sie die Mauer getroffen hatte. Welcher Art war feine 
und seiner Amtsgenossen Lage, die von allem, was ihnen das 
Liebste war, getrennt waren, ohne zu wissen, was in ihren 
Häusern geschah, und auf ihrem Posten festgehalten wurden 
durch die Stimme der Pflicht und ihre Hingabe an die Vater¬ 
stadt! 
Als das Feuer in der Stadt aufgehört hatte und die Fran¬ 
zosen Herren derselben geworden waren, was gegen 3 Uhr 
der Fall war, glaubten sich die Einwohner sicher vor jeder 
Gefahr und beglückwünschten sich, durch die Truppen einer 
Schuhmacht in solcher Weise befreit worden zu sein. Dieses 
Gefühl wurde allgemein geteilt. Aber wie grausam wurde es 
getäuscht! Gerade in diesem Augenblicke begann in allen 
Teilen der unglücklichen Stadt ein Plündern und Morden, 
das bald die allzu voreilige Zuversicht in Bestürzung und Ver¬ 
zweiflung wandelte. Ich teilte durchaus nicht die Einbildung 
meiner Wirte. Ich bin selbst lange genug Soldat gewesen, um 
zu wissen, welches traurige Los einer mit Sturm genommenen 
Stadt vorbehalten ist. Eine ganz in Tränen aufgelöste benach¬ 
barte Familie, welche mit Doppelfchlägen an die Tür unseres 
Hauses klopfte, um sich zu uns zu flüchten gleich im ersten 
Augenblick, belehrte uns genug, auf welche Behandlung die 
anderen sich gefaßt zu machen hatten. Abgesehen von dem 
Schaden, der für das Haus daraus hervorgehen konnte, wenn 
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