Full text: Die Wiedertäufer in Münster (5)

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Achtes Kapitel. 
Religiöser Wahnsinn. 
Die Fabel erzählt, daß einige Schlangen die Macht 
haben, diejenigen Tiere, welche sie sich zur Beute erkoren, 
so zu bezaubern, daß die armen Opfer unfähig sind, sich 
von ihrer Stelle zu bewegen und so willenlos dem Gift- 
zahn der Würger verfallen. 
Diese Fabel ließe sich auch auf Bernhard Rottmann 
anwenden. Er wußte, daß die wiedertäuferische Bewegung 
dem Abgrunde zutrieb, er sah den Untergang vor Augen 
— und es fehlte ihm die Kraft, sich von ihr zu trennen; 
so sehr war er in den Banden der holländischen Fremd¬ 
linge, die er zwar haßte, aber nicht von ihnen sich los¬ 
machen konnte. 
Der Brief Luthers, den er alsbald nach seiner 
Rückkehr in sein Haus gelesen hatte, war nicht ohne Ein¬ 
fluß auf sein ohnehin durch die Ereignisse der letzten Tage 
erschüttertes Gemüt geblieben. Mit beweglichen Worten 
ermahnte der Reformator „seinen lieben Bruder Rottmann," 
das Volk, so er zum Evangelium geführt, nun auch wohl 
zu bewahren und sich nicht hinreißen zu lassen von Rotten 
und Lügnern, die sich Propheten nennen, aber reißende 
Wölfe sind, so in die Herde einfallen und sie vernichten. 
Wörtlich hieß es in dem Briefe: „Der Teufel ist ein 
Schalk und kann wohl feine, fromme und gelehrte Prediger 
verführen, welcher Exempel wir bis daher viele erfahren 
haben, welche vom reinen Wort sind abgefallen und Zwing- 
lianisch, Münzerisch oder wiedertäuserisch geworden, und 
haben in das weltliche Regiment gegriffen, denn der 
Teufel ist ein Lügengeist und ein Mordgeist. Darum, 
wer in die Lügen, fällt, der muß auch . zum letzten zum 
Mord kommen. Darum wo Euch lieb geistlichen und 
zeitlichen Frieden zu haben, so hütet Euch vor den falschen 
Geistern."*) 
*) Hase, Neue Propheten, S. 50. 51.
	        
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