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§. 61. Ausbreitung des Islam Muhammeds Lehre verbreitete sich
so schnell, dass noch heute die Zahl der Araber, Türken, Perser, Mongolen und
andrer Völker Asiens und Asrika's, welche sich zum Islam bekennen, nicht viel
geringer ist, als die Zahl sämmtlicher Christen auf der Erde. Da Muhammed
keinen Sohn hinterließ, so folgte ihm sein Vetter Ali, der Gemahl seiner Tochter
Faüme. Dieser wurde aber bald von Abu-Bekr gestürzt. Die Nachfolger Mu¬
hammeds (Kalifen, d. i. Stellvertreter des Propheten) machten in ihren Be¬
kehrungskriegen große Eroberungen. Einer derselben, Omar, ging (640) nach
Ägypten und eroberte die Stadt Alexandria, in welcher sich eine sehr große und
berühmte Bibliothek befand. Die Araber fragten den Kalifen, was sie mit der
großen Büchersammlung anfangen sollten. Omar soll geantwortet haben: „Ver¬
brennet sie; denn entweder steht in diesen Schriften, was im Koran enthalten ist,
und dann sind sie überflüssig, oder es steht etwas anderes darin, und dann sind sie
gottlos." Von Ägypten aus zogen die Araber längs der Norbfitfte Afrika's bis
zur Meerenge von Gibraltar, verbanden sich mit den hier wohnenden Mauren
und bahnten sich so den Weg nach Spanien. Als nun gar bie Spanier selbst
sie aufforberten, herüber zu kommen, erschienen sie (711) unter ihrem Feldherrn
Tarek in ben süblichen Gegenben unb brangen sogar über bie Pyrenäen nach
Frankreich vor. Hier aber würben sie von Karl Marteli, dem Großvater Karls
des Großen (132), bei Tours in einer furchtbaren Schlacht geschlagen. Wäre
das. nicht geschehen, so hätten die Araber oder Mauren vielleicht ganz Europa
unterjocht und den christlichen Völkern ihre Religion aufgedrungen. In Spanien
aber fassten sie festen Fuß, trieben die christlichen Fürstea in die _ afturifchen Ge¬
birge und errichteten zu Kordova ein besonderes Kalifat. Nach beinahe vier Jahr¬
hunderten eroberten die Christen einige Provinzen wieder und vertrieben endlich
am Schluffe des fünfzehnten Jahrhunderts die Araber ganz aus Spanien. Die
Eroberungen der Araber erstreckten sich aber nicht bloß aus Spanien, sondern auch
auf andre Theile Europa's. Schon hatten sie alle Länder Asiens bis zur Tartarei
unterjocht, als sie vor Konstantinopel erschienen, um es einzunehmen. Diese Stadt
war der Sitz des griechischen oder morgenländifchen Kaiferthums. Wir erinnern
uns, dass feit Augustus in Rom Kaiser herrschten. Einer von ihnen, Theodosius,
sah ein, dass das mächtige römische Reich zu groß für einen Herrscher sei, und
theilte es deshalb unter seine beiden Söhne (395). Der eine, Honorius,
erhielt Italien und die westlichen Länder (abendländisches Kaiferthum), der andre
Griechenland und die östlichen Besitzungen (morgenländifches Kaiferthum). Das
abendländische Kaiferthum war längst untergegangen, während noch das morgen-
ländische bestand. Die Araber hatten den morgenländifchen Kaisern bereits Syrien,
Palästina, Ägypten und Nordafrika genommen. Jetzt wollten sie das ganze
Kaiferthum vernichten und erschienen (67 5) mehreremal vor Konstantinopel. Es
gelang ihnen aber nicht, die Stadt zu erobern. Spater fanden in dem großen
arabischen Reiche manche Veränderungen statt. Die Kalifen waren weichliche und
schwache Fürsten und übertrugen die Regierung ihren Statthaltern (Emiren).
Derjenige Emir, welcher dem Kalifen am nächsten stand und die Aufsicht über das
ganze Reich hatte, hieß Emir al omra. Diese Würde erlangte (1000) ein
Türke, namens Seldschuck. Seitdem gewann die Herrschaft der Türken oder
Seldschncken die Oberhanb über bie Araber. Der Kampf gegen bas griechische
Kaiserreich würbe fortgesetzt unb enblich im Jahre 1453 Konstantinopel von ben
Türken erobert. Das Kaiferthum hörte auf, unb bie türkischen Sultane machten
Konstantinopel zur Hauptstadt ihres Reiches.