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hatte und sehr angenehm zu erzählen muffte. Peter hörte unermübet zu unb
heate ben Wunsch, auch solche Reifen zu machen. Zunächst aber muffte chm Sefort
etwa 50 Spielgefährten nach auslänbifchern Muster emexerneren. Peter biente
selbst als Gemeiner unb nannte biefe seine Soldaten Potefchnie (Spielgefährten).
Balb drängten sich bie Söhne ber vornehmsten Russen zu Peter unb nahmen
Dienst in seinem Regiments. Als nun Peter immer mehr heranwuchs, erkannte
er bie Herrschsucht feiner Schwester, unb als er gar hörte, bass sie bannt umgehe,
ihn ermorben zu lassen, führte er feine Potefchnie gegen ihre Solbaten (bie
Strelitzm), ließ sich bie angeblichen Mürber ausliefern unb sperrte bie Schwester
in ein Nonnenkloster. . mI. _
§.ii8 Peters Staatsverwaltung und Rersen. Der schwache
Iwan starb Mb, unb Peter trat allein bie Regierung an. Zuerst richtete er fern
Heer nach europäischer Weife ein. Dann machte er Reifen m bas Innere fernes
Lanbes, um sich von beffen Zustande zu überzeugen. Er sah balb ein, dass er,
um für bie Bilbung, ben Gewerbefleiß unb Hanbel seines Volkes sorgen zu können,
sich in ben Besitz des wichtigen Afow fetzen müsse. Es gelang ihm, diese Stadt
ben Türken zu entreißen. Als er heimgekehrt war, unternahmen bie Strelitzm
eine neue Verschwörung gegen ihn. Sie wollten in einer Rächt ^euer anlegen
unb bei ber Gelegenheit ben vermutlich herbeieilenben Czaren umbringen. Die
Verschwörung würbe aber Peter hinter bracht, unb er selbst nahm bie Verfchwornen
in bem Hause be§ Staatsraths Sokowuin gefangen. Dieser und mehrere Ver¬
schworn litten eine schmähliche Strafe. Run unternahm Peter feine Reifen ms
Ausland. Er ging ohne alles Aussehen über Königsberg, Berlin, Magdeburg
und Hannover nach Amsterdam. Nachdem er hier die Werkstätten der Künstler
und Handwerker genau kennen gelernt hatte, begab er sich nach dem Dorse Saar-
dam, wo er unerkannt als Zimmermann bei bem Schiffbau arbeitete. Im Wmter
nahm er in Amftetbam Unterricht in ber Mathematik, Naturfunbe und Anatomie.
Dann ging er 1698 nach England, wo er ebenfalls die Werkstätten und ganz
besonders die englischen Kriegsschiffe besuchte. Bei einem ihm zu Ehren ange¬
stellten See-Manöver rief er aus: „Ha, fürwahr, wäre ich nicht Czar von Russ¬
land, nichts möchte ich lieber fein, als ein englischer Admiral!" Von Holland und
England schickte er Schiffe und Seeleute nach Russland. ■ Peter ging über Dres¬
den nach Wien unb staub im Begriff, nach Rom zu reifen; er muffte aber
feinen Reifeplan aufgeben, weil neue Unruhen in Moskau ausgebrochen waren.
Mit bem Säbel Augusts II. von Polen schlug er selbst ben Empörern bie
Häupter ab, ließ viele foltern unb tobten unb errichtete vor bem Fenster ferner
Schwester breißig Galgen, bie sie mit ben mobernben Leichnamen bis zu ihrem
Tobe vor Augen haben muffte. Peter hatte nun fürs erste keine Verschwörung
zu befürchten. Er verwanbte baher große Sorgfalt befonbers auf bie Vermehrung
feines Heeres unb feiner Flotte. Dann legte er verfchiebne Schulen an, ließ
Manufakturen einrichten unb bie sibirischen Bergwerke anbauen. Die rohen Sitten
der Russen wurden unterdrückt und deutsche Kultur und Kleidung eingeführt. In
späteren Jahren reifte Peter noch einmal über Danzig unb Stettin nach Amster¬
dam und von hier nach Paris.
§. 119. Peters Kriege und Eroberungen. Um das Jahr 1700
ging Karl XU., König von Schweden, damit um, den König von Polen zu ent*
thronen. Dies benutzte Peter, um in Karls Besitzungen einzufallen. Er _ nahm
ihm Jngermannland, einen Theil von Livland und Esthland und fing sogleich an,
hier eine neue Stadt zu bauen. Tausende von Arbeitern mufften herbeikommen,
und in kurzer Zeit erhob sich aus tiefem Morast bie jetzt so schöne unb pracht-
8an ge, Leitfaden. I. 7