Full text: Neue und neueste Geschichte (Theil 3)

Abendmahles eigens für sie Zubereiteter Obladen. Als besondere 
Misstände sind aber hervorzuheben die Eintheilnng des Volkes in 
drei Stände: Adel, Geistlichkeit und Bürger (Baueru), und 
die Vorrechte, welche die beiden ersten Stände vor dem dritten 
genossen. Auf dem dritten Stande allein ruhte die Steuerlast, 
und daß diese keine geringe war, dafür sorgte der verschwenderische 
Hos. Ungemein verhaßt waren auch die s. g. Hastbriese; 
durch dieselben konnte jeder ohne Verhör und ohne Gericht ver¬ 
haftet werden; nicht nur die Minister, sondern auch die Günstlinge 
am Hose bedientet: sich derselben gegen diejenigen, welche ihnen 
unbequem oder gefährlich waren. Dazu kam, daß viele Franzosen 
an dem Freiheitskriege in Nordamerika Theil genommen hatten 
nnd nun bei ihrer Rückkehr nach Frankreich die Lehren von der 
Gleichheit aller Staatsbürger und von der Selbstbestimmung des 
Volkes predigten und verbreiteten. So hatte sich in Frankreich 
Zündstoff angehäuft, eine Gährung war im Gauge, welche allein 
Friedrich der Große richtig erkannte, denn er sagte kurz vor seinem 
Tode zu seinem Großneffen, dem nachmaligen König Friedrich 
Wilhelm III.: „Nach meinem Tode, fürchte ich, wird's pele mele*) 
gehen; überall liegen Gärungsstoffe, besonders in Frankreich!" 
b. Ausbruch der Revolution. Im Jahre 1774 bestieg Lud¬ 
wig XVI. den französischen Thron. Sowohl er, als auch seine 
Gemahlin Marie Antoinette, die Tochter Maria Theresia’?, 
waren fromm und fittenrein, aber es gelang ihnen nicht, der herr¬ 
schenden Sittenlostgkeit zu steuern. Um den Steuerdruck zu ver¬ 
mindern, lebte Ludwig in der größten Einfachheit, aber er war zu 
schwach, die Verschwendung seines Hofes abzustellen. Zur gleich¬ 
mäßigeren Verkeilung der Steuerlast rieth der Finanzminister 
Neck er dem Könige, die Stände, welche seit 1614 nicht mehr ge¬ 
tagt hatten, zu berufen. Von dem Adel erschienen 300 Abge- 
ortmete, ebenso von der Geistlichkeit, der dritte Stand sandte 
WO, Abgeordnete. Die beiden ersten Stände bestanden darauf, 
daß jeder Stand für sich berathe und abstimme und als eine Stimme 
anzusehen sei; dem widersetzte sich der dritte Stand, weil ihm dann 
seine doppelte Anzahl von Abgeordneten nichts nütze und er stets 
überstimmt werden konnte; er verlangte, daß nach Köpfen ab¬ 
gestimmt werden solle. Als die beiden anderen Stände darauf 
nicht eingingen, trennte sich der dritte Stand und bildete die 
*) d. h. bunt durcheinander.
	        
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