Die Versuche einer Reform der Reichsverfassung. 141
Der einzige Plan einer Reichsreform, welcher, wenn ausgeführt,
eine wirkliche Wiederkräftignng des Reichs und der Reichsgewalt hätte
herbeiführen können, rührte von einem Privatmann her, allerdings
einem hochangesehenen und einflußreichen, dem berühmten Kardinal
Nikolaus Cusauus. Er verlangte ein kräftiges Reichsgericht, jährliche
Reichstage mtt voller gesetzgebender und schiedsrichterlicher Gewalt,
der alle Stände unbedingt sich unterordnen müßten, eine der Reichs¬
gewalt allezeit zur Verfügung stehende bewaffnete Macht, zu deren
Erhaltung aber unmittelbare Einnahmen des Reichs, Reichszölle (an
den Grenzen), unter Zurücknahme der den Landesherren verliehenen
Zollgerechtigkeiten. Diesen letzten Gedanken werden wir im Beginn
der nächsten Periode wieder auftauchen sehen; im übrigen scheint der
Plan des Nikolaus niemals ernstlich in Betracht gezogen worden
zu sein.
Alle andern Reformpläne (wie sie auf den Reichstagen von 1495,
150J, 1505, 1507, 1510, 1512 verhandelt wurden) scheiterten von
vornherein daran, daß die Reichsstünde und insbesondere die Kur¬
fürsten dabei immer das aristokratische Prinzip in den Vordergrund
stellten, der Kaiser das monarchische. Die Kurfürsten gingen daraus
aus, die kaiserliche Gewalt immer mehr zu beschränken, ja sie zu einer
bloßen Schein- und Schattengewalt herabzudrücken; Kaiser Maximilian
seinerseits wehrte sich natürlich dagegen. Jene schlugen die Errich¬
tung einer obersten Regiernngsgewalt vor (unter dem Nennen „Reichs¬
rat" oder „Reichsregiment"), welche, mit Ausnahme des vom Kaiser
zu ernennenden Präsidenten, lediglich aus Bevollmächtigten der Stünde
bestehen und in vielen Fällen ganz allein, ohne Mitwirkung des
Kaisers, regieren sollte; der Kaiser wollte sich nur einen Reichsrat
gefallen lassen, der von ihm ernannt wäre, der nur während seiner
Abwesenheit außerhalb des Reichs für ihn einzutreten hätte, dessen
Beschlüsse erst durch die Genehmigung des Kaisers rechtsgültig würden.
Beinahe noch dringlicher, als eine Reform der innern Verwaltung
des Reichs, erschien eine Resorm der Reichskriegsverfassung.
Deun an bereiten Mitteln zum Kriegsühren fehlte es gänzlich, sowohl
was die Mannschaften, als was das Geld betraf. 1422 hatte ein
Reichstag beschlossen, daß jeder Reichsstand nach einem gewissen Maß-
stab („Matrikel") Truppen stellen sollte; 1427 war man schon wieder
davon abgegangen und hatte an Stelle dessen eine „allgemeine Reichs¬
steuer" gesetzt, mittelst deren der Kaiser Truppen werben könnte.
Allein diese Steuer ging nicht ein. Kaiser Maximilian schlug vor,
auf je 400 Einwohner solle Ein Mann Fußvolk gestellt werden; die