Full text: Von der Entstehung eines selbständigen deutschen Reichs bis zu Karl V. 843 - 1519 (Theil 2)

Die Versuche einer Reform der Reichsverfassung. 141 
Der einzige Plan einer Reichsreform, welcher, wenn ausgeführt, 
eine wirkliche Wiederkräftignng des Reichs und der Reichsgewalt hätte 
herbeiführen können, rührte von einem Privatmann her, allerdings 
einem hochangesehenen und einflußreichen, dem berühmten Kardinal 
Nikolaus Cusauus. Er verlangte ein kräftiges Reichsgericht, jährliche 
Reichstage mtt voller gesetzgebender und schiedsrichterlicher Gewalt, 
der alle Stände unbedingt sich unterordnen müßten, eine der Reichs¬ 
gewalt allezeit zur Verfügung stehende bewaffnete Macht, zu deren 
Erhaltung aber unmittelbare Einnahmen des Reichs, Reichszölle (an 
den Grenzen), unter Zurücknahme der den Landesherren verliehenen 
Zollgerechtigkeiten. Diesen letzten Gedanken werden wir im Beginn 
der nächsten Periode wieder auftauchen sehen; im übrigen scheint der 
Plan des Nikolaus niemals ernstlich in Betracht gezogen worden 
zu sein. 
Alle andern Reformpläne (wie sie auf den Reichstagen von 1495, 
150J, 1505, 1507, 1510, 1512 verhandelt wurden) scheiterten von 
vornherein daran, daß die Reichsstünde und insbesondere die Kur¬ 
fürsten dabei immer das aristokratische Prinzip in den Vordergrund 
stellten, der Kaiser das monarchische. Die Kurfürsten gingen daraus 
aus, die kaiserliche Gewalt immer mehr zu beschränken, ja sie zu einer 
bloßen Schein- und Schattengewalt herabzudrücken; Kaiser Maximilian 
seinerseits wehrte sich natürlich dagegen. Jene schlugen die Errich¬ 
tung einer obersten Regiernngsgewalt vor (unter dem Nennen „Reichs¬ 
rat" oder „Reichsregiment"), welche, mit Ausnahme des vom Kaiser 
zu ernennenden Präsidenten, lediglich aus Bevollmächtigten der Stünde 
bestehen und in vielen Fällen ganz allein, ohne Mitwirkung des 
Kaisers, regieren sollte; der Kaiser wollte sich nur einen Reichsrat 
gefallen lassen, der von ihm ernannt wäre, der nur während seiner 
Abwesenheit außerhalb des Reichs für ihn einzutreten hätte, dessen 
Beschlüsse erst durch die Genehmigung des Kaisers rechtsgültig würden. 
Beinahe noch dringlicher, als eine Reform der innern Verwaltung 
des Reichs, erschien eine Resorm der Reichskriegsverfassung. 
Deun an bereiten Mitteln zum Kriegsühren fehlte es gänzlich, sowohl 
was die Mannschaften, als was das Geld betraf. 1422 hatte ein 
Reichstag beschlossen, daß jeder Reichsstand nach einem gewissen Maß- 
stab („Matrikel") Truppen stellen sollte; 1427 war man schon wieder 
davon abgegangen und hatte an Stelle dessen eine „allgemeine Reichs¬ 
steuer" gesetzt, mittelst deren der Kaiser Truppen werben könnte. 
Allein diese Steuer ging nicht ein. Kaiser Maximilian schlug vor, 
auf je 400 Einwohner solle Ein Mann Fußvolk gestellt werden; die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.