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vom Apfelschuß findet sich auch in Norwegen, Island, Dänemark, Eng¬
land und am Rhein. Daß Tell überhaupt gelebt hat, ist zweifelhaft,
ebenso soll es unter den Habsburgischen Vögten, die zu Küßnacht ihren
Sitz hatten, nie einen Geßler gegeben haben.
6. Nach Heinrichs VII. Tod entstand eine zweispaltige Kaiserwahl. Die
österreichische Partei wählte mit vier Kurstimmen
Friedrich den Schönen von Österreich (1314—1330), Albrechts I.
Sohn; die luxemburgische Partei mit fünf Kurstimmen seinen Vetter
Ludwig von Bayern (1314—1347). Ein neuer Bürgerkrieg be¬
unruhigte besonders die oberdeutschen Länder. Gegen die Schweizer, die
auf Ludwigs Seite standen, zog Friedrichs Bruder Leopold, um die
Ehre feines Hauses zu rächen; seine Hoffnungen wurden jedoch durch die
blutige Schlacht am Morgarten (1315) vernichtet, in welcher er eine
vollständige Niederlage erlitt. Ludwig und Friedrich kämpften acht Jahre
lang um die Krone, bis die Schlacht bei Mühldorf den Kampf zu
Gunsten Ludwigs entschied (1322). Nach der Sage verdankte Ludwig
den Sieg in dieser entscheidenden Schlacht hauptsächlich der Umsicht und
Klugheit des alten, kriegserfahrenen Ritters Schweppermann, dem er
die Führung des Heeres anvertraut hatte. Friedrich selbst, der mit ritter¬
lichem Mute an der Spitze der ©einigen gefochten, fiel mit 1400 Rittern
in des Siegers Hände und wurde auf das feste Schloß Strausnitz ge¬
bracht. Sein Bruder Leopold setzte den Kamps gegen Ludwig fort, zu
dessen Sturz er sich mit Frankreich und den stark unter französischem Ein¬
flüsse stehenden Papst Johann XXII. verband. Der letztere hatte bei
Heinrichs VII. Tod das Reichsvikariat über Italien (d. i. die
Stellvertretung des Kaisers als König von Italien) dem König Robert
von Neapel übertragen. Als Ludwig dagegen protestierte und die Ghibellinen
in Oberitalien offen gegen den päpstlichen Statthalter unterstützte, lud er
ihn zur Verantwortung nach Avignon, wohin sein Vorgänger, Klemens V.,
im Jahre 1305 die päpstliche Residenz verlegt hatte. Da Ludwig nicht
erschien, sprach er den Bann Über ihn aus und belegte Deutschland mit
dem Interdikte. Ludwigs Lage wurde dadurch so gefährlich, daß er eine Aus¬
söhnung mit dem österreichischen Hause dringend wünschen mußte. Er entließ
daher Friedrich seiner Haft unter der Bedingung, daß er der Krone entsage
und sämtliche Reichsgüter des österreichischen Hauses herausgebe (1325).
Da sowohl Leopold als der Papst die Anerkennung dieses Vertrages ver¬
weigerten, stellte sich Friedrich freiwillig wieder als Gefangener. Von
solcher Redlichkeit und Pflichttreue gerührt, erklärte sich Ludwig bereit, die
Regierung mit ihm zu teilen, woraus jedoch die Kurfürsten hierauf nicht
eingehen wollten. Doch starb Friedrich schon im Jahre 1330, vier Jahre
nach seinem Bruder Leopold.