Full text: Friedrich II., der Hohenstaufe

schaftliches Temperament riß alle Schranken nieder, unaus¬ 
löschliche Rachsucht erfüllte ihren Sinn; „eine Rache von hun¬ 
dert Jahren hat noch Milchzähne/' war ein Sprüchwort, den 
Gegner aus dem Wege zu räumen galt jedes Mittel als er¬ 
laubt; dem offenen Kampf mit dem Schwerte wurde oft der 
Dolch vorgezogen, welcher heimlich und von dem sicheren 
Versteck aus seine Arbeit that; „eine vollbrachte That hat 
immer Verstand" war der Grundsatz, nach welchem gehandelt 
wurde. Nur für kurze Zeit trat in den Städten der Lom- 
baitei ein Stillstand ein. Das war, als der merkwürdige 
Johannes von Vicenza herumzog. Als der Sohn eines Rechts¬ 
gelehrten war er Dominikaner geworden; bald gab es keinen, 
der ihm an Frömmigkeit gleich kam. Mehr aber noch, als 
durch diese Tugend, wurde er durch seine Beredsamkeit be¬ 
rühmt. Wie später der Römer Cola bi Rienzi und der 
Florentiner Girolamo Savanarola, riß er die Gemüther hin; 
nirgends ist ja die Gewalt, welche der begabte Redner ausübt, 
größer als in den südlichen Ländern, besonders in Italien, 
wo außer dem Reize eines edlen Inhalts der Zauber einer 
musikalischen Sprache die Sinne der Hörer umfängt; leicht 
erregt, wie sein Wesen ist, wird das Volk hier zu wunder¬ 
barem *thun fortgerissen; oft haben es Redner bewirkt, daß 
große Massen von einem Extrem zum andern im Augenblick 
übersprangen, von Zuchtlosigkeit zu Gehorsam, von Haß zu 
^iebe, von Gleichgültigkeit zu Fanatismus. Johannes war 
ein solcher Mann. Von dem Papst, der seine Brauchbarkeit 
erkannte, mit umfassenden Vollmachten ausgerüstet, erschien 
er in der Lombardei. Sein Ruf versammelte Tausende und 
aber lausende; seit Christi Zeit, hieß es, hätte keiner so viele 
Zuhörer gehabt. Er predigte gegen Zwietracht und Ketzerei, 
gegen Ueppigkeit und Habsucht, und unmittelbar war die 
Wirkung: Todfeinde besiegelten ihre Versöhnung durch einen
	        
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