Full text: Die deutsche Urzeit (Teil 1)

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Höhlen und Wälder waren nicht überall, und wo sie waren, da 
bargen sich in ihrem Dunkel auch die Bestien der Wildnis, die denselben 
Platz, welchen der Mensch begehrte, für ihr Lager suchten. Wollte er nicht 
auf die Gefahr seines Lebens mit ihnen den Winkel teilen, so mochte 
er an eine Behausung denken, welche nicht an den Ort gebunden, sein 
unbestrittenes Besitztum und sicheres Teil war. In diesem Stücke nun 
ließ ihn die Natur im Stiche, und notgedrungen mußte er sich das 
schaffen, was sie ihm vorenthielt. So ging er ans Werk, sich selbst 
nach Wunsch und Bedürfnis die Wohnung zu bereiten. Wie? 
Das dem Menschen von der Natur gebotene Material war das 
Holz. Aber seine Werkzeuge, in der ältesten Zeit Steine, später Bronze, 
gestatteten ihm anfangs gar nicht, später nur mit großer Mühe, das Holz 
zu bearbeiten. Er mußte also das Material so nehmen, wie es ihm die 
Natur gab: Stämme und Zweige, die der Sturm herausgerissen und 
abgebrochen hatte, Borkenstücke, die Wurm und Wetter vom Stamme 
gelöst hatten. Doch das Nadelholz, damals wohl vorherrschend, ließ sich 
nur wenig biegen, es mußte mithin so gebraucht werden, wie es gewachsen 
war. Aber wie? Das lehrte die Natur selbst. Entwurzelte Tannen 
und Fichten, mit den Spitzen ineinander geschlagen, stürzen nicht, ein 
Stamm hält den andern, und der Raum darunter bietet Schutz gegen 
Wetter und Winde. Das mußte der Mensch nachmachen, Hölzer in die 
Erde stecken, sie nach oben zu einer Spitze neigen und miteinander 
verbinden. So entstand ein Kegel, dessen Mantel, mit Baumrinde 
und Rasen bedeckt, ein genügendes Schutzdach bot. Den Eingang durch 
eine Tür aus Weidengeflecht zu schließen, lernte man nach und nach. 
Und so mag die erste Wohnung unserer Vorfahren, die Urhütte, ent¬ 
standen sein. Wir sin ben sie heute noch als Wohnung ber Köhler unb 
Holzfäller in unsern Wäldern, so im Harz unb Thüringer Walb. 
Wie lebten die Menschen in der Urhütte ? In der Mitte brannte 
das Herdfeuer, möglichst immer, denn schwer war es, neues Feuer zu ent¬ 
zünden. Aber die Mitte war der höchste Raum, die einzige Stelle, wo 
der Mensch aufrecht stehen konnte. Das Herdfeuer nahm sie ihm weg, und 
so war er auf den niedrigen Raum zwischen Herd und Hüttenwand beschränkt. 
Das war ein Übelstand, der gewiß bald genug schwer empfunden wurde 
und auf bessert Abstellung man frühzeitig bebacht gewesen sein wirb. Wertn 
bie Hütte wohnlicher werden sollte, kam alles daraus an, den unmittelbar 
an die Innenwand der Hütte angrenzenden Raum zu erhöhen, wenn möglich 
um soviel, beiß ein Mensch, ohne bem Feuer nahe zu kommen, ben Herb 
umtoanbellt konnte. Das war eine schwere Aufgabe. Über der Erde ver¬ 
mochte man's nicht, und so hob man die Erde in Manneshöhe aus und 
setzte die Hütte als Dach über die Grube. So entstand die Gruben¬ 
hütte, wie sie uns die Hausurne von Polleben zeigt. Damit war
	        
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