I. Die Germanen.
1. Land und Leute.
Vor zwei Jahrtausenden war unser Vaterland bedeutend
kälter und feuchter als heutzutage. Den größten Teil desselben
bedeckten düstere Moore und Wälder mit so ungeheuern Eichen,
als wären sie zugleich mit der Welt erschaffen worden. Ver¬
einzelt lagen an gerodeten Strecken dazwischen die Höfe an
Quellen uud Bächen. Außer Flachs baute mau Roggen, Hafer
und Gerste, um Brot, Hafermns und den beliebten „Gersten¬
wein" (Bier) zu gewinnen; deu süßen Met lieferten die Waben
der Bienen. Obst und Gemüse gab es so gut wie gar nicht,
wohl aber Rüben und große Rettiche, die sich Kaiser Tiberins
regelmäßig aus Germanien kommen ließ. Der größte Teil
des urbaren Bodens war Weideland; die Herden unscheinbarer
Rinder, die Schafe, Schweine, Gänse bildeten des Mannes Reich¬
tum; seine Freude waren die kleinen, aber dauerhafte» Pferde.
Salz lieferten Quellen oder das Meer. Erst allmählich kam
bei den östlichen Stämmen die Kunst auf, Eisen zu graben und
zu stählen.
Die Germanen fielen den Römern auf durch hohen, kraft¬
vollen Wuchs, helle Hautfarbe, blaue trotzige Augen; in mächtigen
Strähnen fielen die goldfarbigen Haare nieder; die Germanen¬
kinder mit ihren Flachsköpfen kamen den dunkelfarbigen Süd¬
ländern wie Greise vor.
Jung und alt, Männer uud Frauen kleideten sich in kurze,
enganliegende Leinenröcke und Mäntel, welche eine Schnalle oder
auch ein Dorn auf der Schulter zusammenhielt. Die Frauen,
welche mit eigenen Händen den Flachs spannen und das Linnen
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