Full text: Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare

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Kreidekalk-Schollen und -Klötze (der Matese z. 23.), die lebhaft an die ähnlichen, nur 
großartigeren Gebilde der Ostalpen, Dachstein, Totes Gebirge usw., erinnern, sich mit 
prallen, weißlich schimmernden Wänden erheben. 
Wiederum verschieden ist der Bau des kalabrischen Apennin. Er besteht ledig- 
lich aus zwei großen Trümmerstücken der alten Tyrrhenis, den Gneismassivs der Sila 
und des Aspromonte. Der kalabrische Apennin bietet daher in seinen Oberslächen- 
sormen ausfallende Gegensätze zum neapolitanischen, die man in dem Bruchgürtel des 
Crati-Tales, etwa auf der geröllüberschütteten Stätte des alten Sybaris stehend, mit 
einen: Blick überschauen kann. Gen Norden der Monte Pollino (2271 m) mit kahlen 
Steilgehängen zu seinen kühnen, bald weißlich schimmernden, bald intensiv gefärbten 
Kalkzinnen von doppelter Brockenhöhe emporgefurcht von engen kanonartigen 
Schluchten, in welchen geröllarme, aber ausdauernde, weil von starken Capi d'Acqua 
des Kalkgebirges genährte Flüsse zum Crati eilen. Im Süden dagegen erhebt sich die 
unserem Harz ähnliche Gneismasse der Sila, die mit sanfter, von üppiger, aber keines- 
wegs südlichen Charakter tragender Vegetation bedeckter Böschung zu gerundeten 
Hochgipfeln von nicht ganz doppelter Brockenhöhe ansteigt. Wasserarme, aber geröll- 
reiche Flüsse durchirren die breiten, slachen Täler. 
Wenn wir so das Apenninengebirge auch als ein einheitliches auffassen, so bildet 
dasselbe doch mehr das Rückgrat der Halbinsel, es füllt dieselbe nicht ganz aus. Zu 
beiden Seiten lagern sich aus weite Strecken noch Landschaften an, welche nur in 
loseren Beziehungen zu deu Apenninen stehen und in Italien meist als snb- 
apenninische bezeichnet werden. Sie sind dem Apenninenlande erst zu Ende 
der Tertiärzeit und noch später angegliedert, bzw. angelagert worden. Wir sprechen 
so von einem tyrrhenischen und einem adriatischen Apenninen-Vorlande. Letzteres 
umfaßt die auf weite Strecken von Terra rossa bedeckte und daher sehr srucht- 
bare apnlische Kreidetafel und die mit ihr durch die apulifche Ebene verbundene 
Scholle des Gargano. Die kampanische und die latinische Ebene sind ausgefüllte Ein- 
bruchskeffel, während das Hochland von Toskana und vielleicht auch die apuanifchen 
Alpen im wesentlichen als Teile der alten Tyrrhenis aufzufassen sind. Die große 
Ausdehnung, welche das tyrrhenische Alpenvorland vom Horst von Sorrent bis zum 
Golf von Spezia durch Ausfüllung der Einbruchskessel, durch Bildung jungeruptiver 
Berge und Berggruppeu und durch Analiedernng von Trümmern der Tyrrhenis er- 
erlangt hat, hat hier weite, offene, dichter Befiedeluug zugängliche Landschaften und 
namentlich größere hydrographische Becken geschaffen, wie das des Tiber, des Arno, 
Garigliano n. a., welche teils dem apenninischen Faltenlande, teils dem Vorlande 
angehören, in diesem aber erst ihre volle Entwicklung und Bedeutung erlangen. Hier 
liegen daher die größten und geschichtlich wichtigsten Siedelungen der Halbinsel: 
Neapel, Eapua, Rom, Florenz, Siena, Pisa, Livorno u. a. nahe beieinander. 
Die Trümmer der Tyrrhenis bilden überwiegend Jnsel-Jtalien, das Apenninen- 
land entspricht Halbinsel-Italien. Zu diesem, wenn auch berg- und hügelerfüllten, 
doch vorzugsweise maritimen Italien steht in vielfachem Gegensatze die Po-Ebene, 
Festland-Italien. Dieselbe läßt sich einem zwischen Alpen und Apenninen eingesenkten, 
namentlich an der Westseite von den Alpen noch umwallten, sich nach Osten sanft neigen- 
den und verbreiternden Troge vergleichen. Doch weist auch die Sohle des Troges 
nur selten jene Einförmigkeit auf, welche sonst Ebenen zu kennzeichnen pflegt. Zunächst 
erheben sich kleine vulkanische Hügelgruppen, wie die Euganeen, oder abgeschnittene 
äußerste Randstücke der Apenninen, wie der Hügel von St. Eolombano, mitten aus 
dem Schwemmlande. Aber auch sonst läßt der Baumreichtum und die ganze Art der
	        
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