Full text: Geographische Verkehrslehre für Schulen und zum Selbstunterricht

1. Der Schiffahrtsverkehr. 
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Statistische Aufzeichnungen beweisen, daß seit dem Jahre 1850 bei allen 
seefahrenden Nationen die Zahl der Dampfschiffe eine stetige, bedeutende Ver¬ 
mehrung erfährt, während jene der Segelschiffe nicht bloß stille steht, sondern 
sogar im Abnehmen begriffen ist. Auch werden die Dampfer, um ihre Trag¬ 
fähigkeit zu vermehren, in der Neuzeit in immer größer werdendem Umfang 
angelegt. Die mittelmäßig großen Dampfer haben einen Brutto-Gehalt von 
4000—5000 Tonnen (1 Tonne = 1000 kg), selbst Schnelldampfer einen solchen 
von 5500—7500 Tonnen. Das größte Schiff der Welt ist der gegenwärtig 
außer Betrieb stehende uud als altes Eisen nach Gibraltar verkaufte „Great 
Eastern" (1854—1859 erbaut) mit einem Brutto-Gehalt von 18 915 Tonnen, 
2690 Pferdekraft, 3 Verdecken; er faßt 3000 Passagiere und war ein Fahrzeuge 
an dessen Bord man sich in Wahrheit verlaufen konnte. Das Schiff mit dem 
größten Netto-Gehalt, d.i. 4030 Tounen, ist die „Urania". Auch für Kriegszwecke 
wurden namentlich in Italien Kolosse von Dampfern gebaut. Natürlich ist der 
Auswaud für solche Fahrzeuge gleichfals ein enormer. Ein mittelgroßer Dampfer 
kostet 2—4 Millionen Mark. Die deutsche „Fulda" (4814 Tonnen Brutto) 
kostete z. B. 3,830,000 Mark. Mau kaun, auch was die äußere und innere 
Ausstattung der Dampfer betrifft, mit Recht von schwimmenden Palästen 
sprechen. Die gewöhnlichen großen Postdanipfer sind in der Lage, 1000 bis 
1400 Passagiere bequem aufzunehmen und haben eine Bemannung von 150 — 
200 Matrosen. Der tägliche Kohlenverbrauch derselben beträgt über 100 000 kg. 
Der Konsum an Kohle auf einer oceanischen Fahrt beträgt 1400 —1500 Tonnen. 
Wollen wir die ungeheuere Steigerung des Schiffverkehrs zur See konstatieren, 
so haben wir nicht so sehr auf die vermehrte Anzahl der Schiffe, als vielmehr 
auf die bedeutend vermehrte Tragfähigkeit derselben Bedacht zu nehmen. Den 
ersten Platz in der Welthandelsflotte nehmen die Schiffe der englischen Marine 
ein (40% der Zahl, 58 % dem Tonnengehalte nach), dann folgen jene der Nord- 
Amerikanischen Unions-Marine. Nach dem effektiven Tonnengehalt seiner Schiffe 
nimmt Deutschland unter allen Staaten der Erve den vierten Rang ein.*) 
Das dichteste Netz von regelmäßigen Dampserlinien hat sich zur Verbin¬ 
dung der kultiviertesten Teile der Altert und Neuen Welt über deu Atlantischen 
Ocean ausgebreitet. Ueber 300 Dampfschiffe stellen im nördlichen Becken des 
Atlantic den täglichen Verkehr her. Jeden Tag verlassen durchschnittlich 10 
Schiffe nur die englischen Häsen, um über den Atlantischen Ocean zu gehen. 
Nicht minder belebt ist seit der Eröffnung des Suez-Kanals das Mittelmeer 
und der Indische Ocean, und auch aus dem Stillen Ocean ist der Dampfer¬ 
verkehr in stetem Aufschwung begriffen. Das Zusammenwirken und Ineinander¬ 
greifen aller Faktoren der Navigationskunst hat die staunenswerte Wahrheit 
zu Tage gefördert, daß man gegenwärtig die frühere dreijährige Dauer einer 
Reise um die Erde zu einer kaum dreimonatigen gemacht hat. 
1 Die Oceanfahrten. 
Wir wollen nun die Dampfschiffverbindung Europas und 
Amerikas 
*) Vergl. E. v. Seydlitzsche Geographie. Ausgabe C. 21. Bearbeitung (Breslau 
1892, Ferdinand Hirt) S. 372. S. auch 439 s.
	        
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