Full text: Charakterbilder deutschen Landes und Lebens für Schule und Haus (Theil 3)

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sich alles um das Universitätsleben; in der Hauptstadt eines kleinen König- 
reichs oder Herzogthums bildet der Hof des Fürsten den Mittelpunkts 
wenn auch, wie das in unserer Zeit nicht anders sein kann, die Industrie 
gleichfalls sich, geltend macht. In der Haupt- und Residenzstadt Berlin 
ist zwar der Hof immer ein Mittelpunkt, aber es vereinigen sich alle 
übrigen Lebensinteressen der Industrie und des Handels, der Kunst und 
Wissenschaft mit den politischen und militärischen, regierungs- und ver- 
waltungsmäßigen, so daß weder der Hof allein, noch die Universität 
allein, noch die Industrie allein, noch die parlamentarische Thätigkeit 
allein auf bevorzugte Geltung Anspruch machen kann. In Städten 
aber wie Hamburg und Bremen ist das ganze Leben so zu sagen in 
den Handel eingetaucht; dieser bildet den belebenden Odem, den nie 
intermittirenden Pulsschlag, der nicht minder im Centrum wie auf der 
äußersten Peripherie zu spüren ist. Hamburg würde seinen Charakter, 
seine Macht, seine Bedeutung verlieren, wenn es anders wäre. Das 
Bewußtsein davon durchdringt jeden Hamburger und nicht am wenig- 
sten die Karrenführer und Lastenträger, die, gut bezahlt, den umher- 
schlendernden Reisenden fast verächtlich wie einen Müßiggänger betrach- 
ten und, wohl wissend, daß Zeit Geld ist, ihm kaum Rede stehen. Eine 
Stadt wie Hamburg giebt auch dem Handwerker und tüchtigen Arbeits- 
mann Verdienst genug, so daß wer Kraft, Fleiß und guten Willen hat, 
auch eine ehrbare Existenz gewinnen kann. So durchdringt das stolze 
republikanische Selbstgefühl, das Bewußtsein, ein freier Hamburger zu 
sein, nicht minder den Holzhauer wie den Millionär. 
Das seelische Centrum dieses Lebens ist in der neuen Börse auf 
dem Adolfsplatze. In dem furchtbaren Brande von 1842 fielen die 
alte Börse, die Vörsenhalle und die Bank der Zerstörung anHeim; doch 
war bereits einige Jahre vor der Feuersbrunst der Bau der neuen 
Börse begonnen — an der Stelle des ehemaligen Maria - Magdalena- 
Klosters. Es ist ein Prachtgebäude von 249 Fuß Länge und 178 Fuß 
Brette. Der für das Börsenpublikum bestimmte innere Raum hat noch 
die imposante Länge von 127 Fuß, eine Breite von 60 Fuß und eine 
Höhe von 76 Fuß. Er ist auf allen vier Seiten von Bogengängen umgeben 
und von oben durch große Fenster erleuchtet. An den Seiten befinden 
sich die Geschäftszimmer und Mäklercomptoire. Zwei Haupt- und zwei 
Nebentreppen führen zu den oberen Räumen, zur Börsenhalle sammt Lese¬ 
zimmern. Da der Raum noch nicht genügte, so ward an den Hauptbau 
noch ein Flügel angebaut — auf der südöstlichen Seite. Ein zweiter 
Flügel auf der nordwestlichen Seite ist im Plan. 
Die Commerzbibliothek, welche reich ist an geographischen, sta- 
tistischen und geschichtlichen Werken, ward 1873 in genannten Neben- 
flügel verlegt. In dem mächtigen Börsensaale kommen alle Tage drei- 
bis viertausend Menschen aus der Handels- und Geschäftswelt zusammen; 
da wimmelt es von Käufern und Verkäufern, welche ihre Waaren: Zucker,
	        
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