Full text: Charakterbilder deutschen Landes und Lebens für Schule und Haus (Theil 3)

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fester Thürme ragen über sie empor, darunter die gewaltigen, aber 
höchst malerischen Rnndthürme des Frauen-, Spittler-, Neuen und Lau- 
fer Thores, zu denen Dürer die Zeichnung lieferte. Um die Mauern 
zieht sich ein sehr tiefer und breiter ausgemauerter Graben. Seine 
Sohle bedecken Gemüsegärten und Obstanlagen; an den Wänden rankt 
sich hundertjähriger Epheu empor; die scharfkantig vorspringenden Basteien 
und die Zwinger zwischen den Mauern sind mit üppig wuchernden Bau- 
men und Sträuchern bewachsen. Ein Gang um den Graben bietet dem 
Wanderer eine Reihe malerischer und bedeutender Ansichten und Bilder 
dar, welche mit jedem Schritt, mit jeder Wendung des Kopfes und jeder 
neuen Beleuchtung wechseln. Der Kunst- und Alterthumsfreund wird daher 
tief bedauern, wenn diese Befestigungswerke, wenigstens zum Theil, den 
Bedürfnissen des Verkehrs und den Rücksichten auf den Gesundheitszu- 
stand einer sich ungeheuer rasch mehrenden Bevölkerung werden zum 
Opfer fallen müssen; aber er wird nicht Barbarei nennen, was ein Gebot 
der Notwendigkeit erheischt. 
Doch treten wir in die Stadt selbst ein. Die Straßen sind nicht 
so enge, wie man bei alten Städten oder Stadttheilen vorauszusetzen 
gewohnt ist, und wechseln mit großen freien Plätzen ab; zudem bleibt 
eine große Zahl der kleineren Gäßchen und Höfe durch davor gebaute 
Häuser mit Schwibbögen den Augen des Beschauers verborgen. Da- 
durch erhält das Ganze ein freundliches Aussehen, das noch erhöht wird 
durch die allerorten herrschende Reinlichkeit und Sauberkeit. Die Häuser- 
reihen bilden fast nirgends eine gerade Linie; in der Regel springt ein 
Haus dem andern vor, um einen freien Blick die Straße entlang zu 
gestatten. Dadurch erhält diese überall einen natürlichen Abschluß, und 
bei jeder Wendung, die sie macht, stellt sich dem Auge ein neues Bild 
dar, treu dem vorigen an Charakter, aber verschieden in der Gliederung. 
Das ist eben das Anziehende dieser Bauart, daß bei aller Verschieden- 
heit im Einzelnen doch Harmonie im Ganzen herrscht, daß sich bei aller 
Freiheit doch ein oberstes Gesetz geltend macht; aber dieses Gesetz drängt 
sich nicht auf, wie eine Polizeivorschrift, sondern waltet im Verborgenen, 
wie ein Naturgesetz. Nur wenige größere Gebäude, wie das deutsche 
Haus mit seiner weithin sichtbaren Kuppel, das finstere schwerfällige 
Rathhaus, die romanische Egydienkirche, das einfache, nüchterne Theater 
und die im edelsten maurischen Stil gehaltene Synagoge, weichen von 
der allgemeinen Bauart ab. Sie erscheinen wie Fremdlinge, die nicht mit 
der Stadt emporgewachsen sind, wie sie denn auch einer späteren, der 
Kunst weniger günstigen Zeit angehören. Doch vermögen sie den Cha- 
rakter des Ganzen um so weniger zu beeinträchtigen, als fast alle Pri- 
vathäuser in ihrem mittelalterlichen Gepräge übereinstimmen. Gerade 
sie geben durch ihre zierlichen Chörlein, durch eingemauerte Wappen 
und Reliefs, sowie an den Ecken angebrachte Heiligen- oder Thiergestal- 
ten, besonders aber durch die zahlreichen, gewöhnlich mit feinem Schnitz¬
	        
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