§ 292
Die Nilländer.
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1. Die Libysche lvüste (links vom Nil) ist noch eintöniger als die Sahara;
doch hat sie eine Reihe schöner Oasen, zum Teil in Tiessenken (Depressionen)
gelegen (z. B. Siwa —25 m).
2. Die Arabische Wüste (wo?), die nördliche Fortsetzung der Nubischen Wüste,
ist eine von Vulkanen durchsetzte, oasenlose Felswüste. Sie lieferte schon im
Altertum den Ägyptern die herrlichsten Bausteine, u. a. die Kalksteinblöcke für
die Pyramiden.
3. Das Niltal, die „größte Oase neben der größten Wüste", ist von
alters her berühmt durch seine, durch die jährlichen Überschwemmungen erzeugte,
beispiellose Fruchtbarkeit. Die Überschwemmung beginnt Ende Juni, wenn in
Abessinien die tropischen (Zenital-)Regenmassen niedergehen, wird verstärkt im
August, wenn die Wasser aus dem Nil-Sudan anlangen und erreicht ihren
höchsten Stand Ansang Oktober. Dann ragen nur noch die hochgelegenen
von Dattelpalmen umkränzten Ortschaften (vgl. die Wurten oder Warften der
Marsch), aus der trüben Flut hervor. Der Verkehr vollzieht sich dauu auf schmalen,
für die Wasserregulierung gebauten Dämmen oder mittelst Barken. Durch
Kanäle, Schöpfräder und Dampfpumpen wird das Wasser auch nach Gebieten
gebracht, die es nicht von selbst erreicht. Wenn das Wasser sinkt, streut der
Fellache (der ägyptische Bauer), ohne zu pflügen, den Samen in den schwarzen
Schlamm, uud wenn dann bei uus der Winter seinen Einzug gehalten hat,
bildet das Niltal ein einziges Fruchtmeer. Angebant wird außer viel
Gartenfrüchten namentlich Weizen, Mais und Baumwolle. So ist denn das
Niltal im Laufe des Jahres „erst (vor der Überschwemmung) Staubgesild,
dann süßes Meer, dann Blumenbeet". — Um die Überschwemmung regeln
zu können und um andauernd genügend Wasser zur Verfügung zu haben,
legte man Stauwerke an (vgl. die deutschen Talsperren), daruuter das größte
der Welt, das Stauwerk von Assuan (unter dem Wendekreis, oberhalb des
1. Katarakts; s. Abb. 6, § 292). Die Sperrmauer ist 1800 in laug, 28 m hoch, unten
25 in, oben 8 in dick und wurde kürzlich noch um 7 in erhöht, so daß die
Kulturfläche Ägyptens durch dieses Stauwerk auf das Siebenfache
erweitert wurde.*) Über die Insel Philae s. Abb. 6 und 7, § 292.
Siedelungen im Niltal: Wo das Niltal sich öffnet, liegt zwischen dem steilen öst-
lichen Uferrand und dem Fluß die Hauptstadt Kairos (Abb. 1, § 292) mit ihren Pracht-
vollen Moscheen und ihren glanzvollen Minaretts (die Türme für die Gebetsrufer), eine der
glänzendsten Städte der Welt, überaus sesselud durch die Farbenpracht uud Mannigfaltigkeit
seiner Straßenbilder (Vertreter aller Zonen und Nationen, zahllose Basare mit orientalischen
Waren, durchziehende Karawanen, schreiende Eseltreiber, Gaukler, Schlangenbeschwörer, ver¬
mummte Frauen usw.). Universität und Mamelukengräber s. Abb. 2 u. 3, § 292. — Eine
Stunde westlich, am jenseitigen (libyschen) Wüstenrand, durch eine Straßenbahn mit der Stadt
verbunden, befinden sich die 3 Pyramiden (Königs-Totenkammern) von Giseh (Abb. 4
und 5, § 292), darunter die größte der 40 Pyramiden Ägyptens2), die des Cheops, 137 m hoch
(Cölner Dom 156 m). Die benachbarte, berühmte, 50 m lange Riesen - Sphinx, die aus
1) Die befruchtende Kraft des Nilwassers soll aber herabgemindert worden
sein, da der Schlamm sich im Stausee ablagert, statt, wie früher, die Fluren zu
überziehen.
2) Alle liegen am Rand der Libyschen Wüste, 6—7 km westlich vom Nil. — Giseh ist
ein vielbesuchter Winterkurort.