Wilhelm I.: ber beutsch-frauzösische Krieg von 1870—1871. 169
Besetzungsrecht der frühern Bundesfestung Mainz. Außerdem wurde
durch ein Schutz- und Trutzbündnis dem Könige von Preußen
der Oberbefehl über sämtliche Truppen der süddeutschen
Staaten übertragen. Außer dieser starken militärischen Machtstellung
gewann Preußen 1308 | [Metten und 4 285 700 Einwohner, so daß
sein Gesamtgebiet jetzt 6412 □Meilen mit 23 600 000 Einwohnern
betrug. Dies Gebiet war abgerundet und umfaßte fast die ganze Nord-
seeküste von Schleswig bis Holland.
An bie Bewohner ber neuerworbenen Landesteile richtete ber König herzliche
Wocte. In ber Proklamation an die Hannoveraner hieß es u. a.: „Wenn Ihr Euch
nicht ohne Schmerz von früheren, Euch lieb geworbenen Verhältnissen lossagt, so
ehre ich biefen Schmerz unb wiirbige benselben als eine Bürgschaft, baß Ihr unb
Eure Kiuber auch Mir unb Meinem Hause mit Treue angehören werbet. Nur
Deutschlanb hat gewonnen, was Preußen erworben. Dieses werbet Ihr mit Ernst
erwägen, uub so vertraue Ich Eurem beutschen unb reblichen Sinne, baß Ihr Mir
Eure Treue ebenso ausrichtig geloben werbet, wie Ich zu Meinem Volke Euch
aufnehme."
f. Norddeutscher Bund. Alle Lande Norddeutschlands traten zu
dem Norddeutschen Bunde zusammen. Sämtliche Staaten desselben 1867
hatten gemeinsames Recht der Gesetzgebung über Zoll- und Handels-
angelegenheiten, Münz-, Maß- und Gewichtsordnung n. s. w. Heer und
Marine waren gemeinsam und standen unter dem Könige von Preußen
als Bundesfeldherrn. Graf Bismarck wurde Bundeskanzler. Die
Gesetzgebung wurde ausgeübt durch den Bundesrat (die Vertreter der
Regierungen) und dem Bundestag (vom Volke gewählte Abgeordnete).
So war Deutschland bis zum Main unter Preußens Führung
geeint; eine Verbindung mit Süddeutschland wurde noch dadurch geknüpft,
daß alle deutscheu Staaten den Zollverein erneuerten und ein gemein-
sames Zollparlament errichteten (1867). Aber die trennende Main-
linie sollte erst ganz schwinden, als die deutschen Völker gemeinsam eine
schwere Probe bestanden hatten.
4. Der deutscli-franzölische Krieg von 1870—1871.
a. Ursache und Ausbruch desselben. 1. Kriegsvorwand. Kein
europäisches Volk hatte das Wachsen und Erstarken des preußischen
Staates mit mehr Eifersucht angesehen, als die eitlen Franzosen. Sie
nannten sich selbst die „große Nation" und waren es seit Ludwig XIV.
gewohnt, in dem Rate der Vöker die erste Stimme zu führen und in
allen wichtigen Angelegenheiten den Ausschlag zu geben. Namentlich
hatte Deutschland in seiner Zerrissenheit und Spaltung ihnen vielfach
Gelegenheit zum Angriff und zur Einmischung gegeben. Durch die
Errichtung des norddeutschen Bundes unter Preußens Führung
hatte Deutschland einen großen Schritt zn seiner Einigung und Selbständigkeit
gethan. Um dasselbe aber in seiner Weiterentwickelung zu hemmen,
beschloß man, „Rache für Sadowa" zu nehmen und Preußen in einem
gewaltigen Kriege niederzuwerfen. Mit großen Anstrengungen hatte der
französische Kaiser seine Armee seit 1866 neu organisiert und verstärkt