Full text: Vaterländische Erdkunde (1)

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Zwischen diesen lag eine trockene, mäßig hohe Insel und an ihren anderen Ufern 
gleichfalls trockene, sandige Flächen. So war denn hier eine treffliche Über- 
gangsstelle vorhanden (vergl. Straßburg S. 71). Auf der Insel entstand 
das wendische Fischerdorf Kölln, östlich daneben eine germanische Nieder- 
lasfnng, Berlin. — Nun hat aber jeder Fluß geeignete Übergangsstellen, 
ohne daß an ihnen gerade große Städte zu entstehen brauchen. Was den 
Spreeübergang Kölln-Berlin auszeichnete, war seine Lage genau in der 
Mitte des Norddeutschen Tieflandes. Es ist von hier bis zur Ostsee 
so weit wie bis zum Bergland, von der Ems so weit wie bis zur Weichsel. 
Je mehr also Handel und Wandel in Deutschland aufblühten, desto mehr 
mufste dieser Punkt, der anfangs nur lokale Bedeutung hatte, zu einem 
Knotenpunkt wichtiger Hanclelsstrafsen werden, (S. z. B. Leipzig- 
Berlin-Stettin; Leipzig- Berlin-Danzig; Magdeburg - Berlin-Frankfurt a. O.¬ 
Posen; Hamburg-Berlin-Schlesien [Breslau].) Die ersten Ansiedler Kölln- 
Berlins hatten also einen Erdfleck gewählt, der viel günstiger war, 
als sie ahnen konnten. 
(l>) in geschichtlichen Vorgängen.) Aber zu einer Riesenstadt von 
11j2 — oder, wenn wir Charlottenburg, Spandau, Potsdam und die vielen 
Vororte hinzurechnen, von 2 Millionen — hätte das ursprüngliche Fischerdorf 
allein als Straßenknoten nicht anwachsen können (s. Straßburg, G); diese 
hohe Zahl zu erreichen war ihm nur als Residenzstadt, erst Brandenburgs, 
dann Preußens, endlich Deutschlands, möglich. Schon der zweite Hohen- 
zoller, Friedrich der Eiserne, erkannte, daß es für die Eroberung und Kolonisie- 
rung der Slaven keinen geeigneteren Stützpunkt gebe als Kölln-Berlin, und 
deshalb wählte er die kleine Doppelstadt zu seiner Residenz. Damit war dem 
Ort, der übrigens schon damals als Stapelplatz Bedeutung hatte, eine glänzende 
Zukunft gesichert. Parallel mit dem Anwachsen des Brandenburger Staates zum 
Königreich Preußen sehen wir seitdem auch Kölln-Berlin einen außerordentlichen 
Aufschwung nehmen. Durch den dreißigjährigen Krieg zwar wurde die Ein- 
wohnerzahl auf 6900 herabgedrückt, stieg aber schou wieder unter der Regierung 
des Großeu Kurfürsten (durch Hereinberufung flüchtiger Holländer, Franzosen ?c.) 
auf 20 000. In dem darauf folgenden Jahrhundert (bis 1786, als 0 
bis zum Tode Friedrichs des Großen) versiebenfachte sich die Einwohner- 
zahl (150 000), um sich in dem nächsten Jahrhundert zu vernenn- 
fachen (Volkszählung 1835: 1 310 000; am 2. Dez. 1895: 1 676 000). 
(Im Karton Atlas S. 9 unten links fehen wir, wie das Areal der Stadt sich 
stetig vergrößerte; 1640, 1740, jetzt. — Zur Zeit beträgt die bebaute Fläche 
an 70 qkm — 7000 ha! — Vgl.!) Mit in Rechnung zu stellen ist auch das 
Anwachsen der Nachbarstädte Charlottenburg, Spandau und Potsdam, die wir 
in gewissem Sinne als Teile Berlins ansehen können. Ferner ist eine Reihe 
volkreicher Vororte entstanden (s. Karte S. 6 die □, A, O, O), die übrigens 
wohl über knrz oder lang Berlin einverleibt werden. 
Aber Berlin ist nicht blofs der Mittelpunkt des deutschen, es ist ein 
Knotenpunkt des europäischen Verkehrs. (Karte Europa;) Die Haupt¬ 
verkehrslinien von Westen nach Osten (von London und Paris nach Moskau 
und Petersburg) schneiden sich hier mit den Hauptlinien von Norden nach 
Süden (von Kopenhagen, Stockholm, Christiana nach Wien, Rom, Konstan¬ 
tinopel). Auch dieser Umstand trägt, namentlich in der neueren Zeit, ge¬ 
waltig zur Hebung der Residenz bei.
	        
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