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bauliche Einheit des Ganzen zu zerstören, wie das durch, die abscheulichen Ziegel-
bauten der Fabriken geschieht, die in die Harmonie des ländlichen Gesamtbildes
schlechterdings nicht hineinpassen. Sber auch sachlich fügen sie sich der vors-
wirtschaft durchaus ein. indem sie teils ländliche Produkte verarbeiten, teils den
Lauern die nötigen Arbeitsgeräte herstellen oder ausbessern. Diesem engeren Zu¬
sammenhang der Dörfler mit den Urproduktionen entspricht ferner ihre Abwendung
von Industrie. Handel und Verkehr, vorwiegend findet man im dörflichen Wirt¬
schaftsleben den Ackerbau mit der Viehzucht durch Stallfütterung und Vünger-
verwertung eng miteinander verbunden. Durch diese enge Bindung an die Scholle,
deren Bearbeitung und Nutznießung nur in einer gleichförmigen, jahreszeitlich
streng geregelten Tätigkeit sich vollziehen kann, ist endlich gegenüber den beweg¬
licheren, höchst verschieden beschäftigten, mannigfach interessierten, freier denkenden
und individualistischer fühlenden Städtern der Interessenkreis der bäuerlichen Dorf¬
bevölkerung ein beschränkter, ihre Lebenshaltung eine einfachere, ihr gefelliger
Zusammenschluß ein viel engerer, ihre Gesinnung konservativ, ihr Empfinden durch¬
aus traditionalistisch und kollektivistisch.
2. Und was das räumliche Merkmal betrifft, so ist lose häuserscharung
in der Tat das Gewöhnliche, verlangen einmal natürliche Verhältnisse der Boden¬
gestaltung an einem öergabhang oder in einer Schlucht eine engere, dichtere
Zusammendrängung der Hütten, so ist das jedenfalls nicht die Regel. Die Stadt
erst ist gegenüber dem Dorf besonders gekennzeichnet durch eine größere Intensität
des Wohnens. Erheben sich auf gleich großer Bodenfläche städtische, hohe Wohn¬
häuser. deren Seitenmauern vielfach zusammenstoßen, so vereinigen diese natürlich
ungleich mehr Menschen als die dörflichen Meinhäuser, die von Garten und Höfen
unterbrochen werden und obendrein Ställe und Scheunen umschließen. Diese Unter¬
schiede zwischen städtischer und dörflicher Wohndichte haben sich umfo mehr
verschärft, als die Städter, dem Wandel der Zeiten folgend, mehr und mehr auf
den Stolz eigenen Hausbesitzes verzichtet und an bewegliches, vorübergehendes
Wohneigentum sich gewöhnt haben — ganz abgesehen von dem in Mietskasernen
zusammengepferchten Großstadtproletariat —, während die Bauern im allgemeinen
noch gegenüber der Mietswohnung am bescheidenen Eigenhaus festgehalten haben.
Da also das dörfliche Haus in erster Linie Familienhaus ist, so ist im Dorf
einerseits die Häuserzahl, mithin die bebaute Fläche im Verhältnis zur Bewohnerzahl
beträchtlich größer; und andernteils wird die Entsprechung zwischen Bevölkerungs¬
zuwachs und Zunahme der Häuserzahl, also räumlicher Verbreiterung, viel inniger
und offensichtlicher als in der Stadt. Mögen immerhin in den Wohn- und Schlaf¬
räumen der Dorfhäuser die Insassen mehr zusammengedrängt sein als dies in den
sogenannten vornehmen Stadtvierteln der Fall ist. so bleibt doch auf dem Dorfe
die Gesamtsumme der beisammen Wohnenden im vergleich zur häuserbestandenen
Fläche bedeutend kleiner als in der Stadt, deren Bewohner die Grundfläche gleichsam
in die höhe hinauf verdoppeln und verdreifachen, sofern sie in mehreren Stock¬
werken übereinander Hausens)
Damit hätten wir uns den Begriff des deutschen Dorfes verdeutlicht. Wie
finden wir diesen nun im einzelnen verwirklicht?
) Daraus erwachsen wie beiläufig bemerkt sein mag — der kartographischen
Vorstellung besondere 5chwierigkeiten! im Verhältnis zur vewohnerzahl werden die Zeichen