Full text: Bilder aus den neuen Reichslanden und aus dem südwestlichen Deutschland (Bd. 3)

362 Die Pfalz. 
Schulter mit ihren preußischen Brüdern gekämpft, uud wie hier die erste 
Feuertaufe der ueu versöhnten Brüder Bund traf — denn die vier Jahre 
vorher, 1866, als Feinde sich bekämpften, sie kämpften Einer für den 
Andern hier — und Einer war des Andern Werth. So ist es denn heiliger 
Boden, deu unser Fuß betritt, eine Stätte der Versöhnung und des Be- 
ginnes gerechter Vergeltung. Mit solchen Erinnerungen und Empsiu- 
düngen überschreitet nun der Wanderer die Grenze nicht mehr zweier seind- 
licher Länder, sondern zweier Tochterländer der einen Völkermutter Ger- 
mania, und wandert ans Elsaß in die Pfalz. Die Weißen burger Linie u, 
die weiland etwas zu bedeuten hatten, läßt er sich in ihren unbedeutenden 
Ueberresten von weitem zeigen; aber sie können ihm das gewonnene freudig- 
stolze Empfinden nicht einen Augenblick trüben — sie sind ein überwundener 
Standpunkt. Bist du, lieber Leser, nun der Wanderer, der aus Elsaß her- 
über, — eigentlich sollte ich sagen herunter kommt, aber das thnt der Pfälzer 
nicht gern, denn wenn die Pfalz auch, dem Rheinlauf nach, dem Elsaß 
nachfolgt, so glaubt sie ihm doch in nichts nachzustehen; — also, bist du der 
Wanderer, der aus Elsaß herüber kommt, so erlaube, daß ich dich auf der 
Greuze herzlich willkommen heiße in unserer Pfalz, mich dir vorstelle als 
Eiueu, der die Pfalz lieb hat von ganzem Herzen und sich innig freut, wenn 
er etwas von der Liebe zu seinem Vaterländchen anch in anderen Herzen 
wecken kann. Also herzlich willkommen in der Pfalz! Du hast nun, 
lieber Leser, wol gleich bei dem Namen Pfalz eine Frage anf den Lippen, 
ich sehe es dir an. Daß der Name aus dem lateinischen Palatium herzn- 
leiteu ist, uud daß die königlichen Burgen Pfalzen im Mittelalter hießen, das 
ist es nicht, was als neu und unbekannt ich über den Namen mittheilen kann. 
Aber dem NichtPfälzer, wenigstens Einem oder dem Andern derselben, dürste 
vielleicht die Erklärung der Namensentstehung noch nicht zu Ohren gekommen 
sein, die der Volkswitz in Form einer Sage ausgesonnen. „Vor undenklicher 
Zeit war die Pfalz, all das weite schöne Land, ein weiter, unabsehbarer See. 
Das Wasser verlies sich nach und nach, aber der Geist des Wassers zog sich 
grollend zurück in das Innere der Westricher Berge und hauste dort mit seinen 
Gesellen — deu Rieseu. Diese traten, wie sie es überall thaten, in unausgesetzten 
Kampf mit dem Geschlechte der Menschen. Die Sonne schien nun warm 
und schuf auf dem vom Wasser verlassenen Gebiete ein wahrhaftes Para¬ 
dies. Da überkam eines Tages unfern Heiland die Lust, die schöne Psalz zu 
durchwandern uud der Böse, der ihn erblickte, trat zu ihm, nahm ihn an 
der Hand und führte ihu aus den Berg, auf dem heute das Hambacher 
Schloß steht, zeigte hin auf all das herrliche Land mit seiner reichen 
Pracht, und sprach zu ihm: „Siehe, das Alles will ich dir geben, wenn 
du niederfällst und mich anbetest." Der Herr aber, den anch die schönste 
Pracht nicht von seinem gottgewiesenen Wege ablenken konnte, sprach ruhig: 
„Behalt's". Uud dieses Wort hörten die Bewohner, die bewahrten das 
Wort und sprachen's uach in ihrer Mundart: Palz — und es wurde der 
Name des Landes, in Schriftdeutsch heißt er heute „Psalz". — Das wäre 
denn zugleich ein Stückchen von Volkessinn und Charakter, das sich in dieser
	        
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