220 Die schleichen Gebirgspässe und ihre Riegel.
wichtiger noch wurden sie in Zeiten, die uns näher liegen und die wir bis jetzt
fast ganz unberücksichtigt gelassen haben. Nördlich und südlich von den Sudeten
hat Friedrich der Große so manche Entscheidungsschlacht geliefert, dort ist viel
Blut geflossen, auf daß Schlesien preußisches Land würde. In neuester Zeit
find in dem ewig denkwürdigen Jahre 1866 infolge des schnellen Vorrückens
der Preußen zwar jenfeit, aber doch noch in unmittelbarer Nähe der schleichen
Berge die Treffen geliefert, die den zwischen Österreich und Preußen ent-
brannten Krieg schnell beendigten.
Weil die Pässe, welche durch das Gebirge führen, besonders in den schreck-
lichen Zeiten der Kriege von der größten Wichtigkeit und Bedeutung find, haben
die Preußen und Österreicher von Norden und Süden her, um sich gegen
etwaige feindliche Angriffe zu schützen, in stark geschützten Festungen kräftige
Riegel denselben vorgeschoben. Interessant ist es, einen Blick auf jene Städte,
Festungen und Burgen zu werfen, welche den Feinden wehren follten, und der
Thätigkeit nachzugehen, welche die bedeutendsten Feldherren des vorigen und
nnsres Jahrhunderts in jenen Gegenden entfalteten.
Striegau. An einem Gewäsfer, welches das Striegauer Wasser heißt,
das sich in die Weistritz, einen Nebenfluß der Oder, ergießt, liegt die Kreisstadt
Striegau, ein alter Ort, der schon im 12. Jahrhundert als Wallfahrtsort er-
wähnt wird, dessen Name allein für das Alter bürgt; denn Striegau hat einen
polnischen Namen, der entstanden ist ans trzi gore, d. h. drei Berge, da drei
Berge, der Breiteberg, Kreuz- und Georgenberg, sich in unmittelbarer Nähe
der Stadt erheben. Vielleicht schon im 12. Jahrhundert ist daselbst die groß-
artig schöne katholische Kirche im gotischen Stile mit hohem Dache erbaut;
Bolko von Schweidnitz umgab den Ort, der im 14. Jahrhundert Stregonia
Castrum hieß, mit einer Mauer und befestigte ihn. Hussiten und Kaiserliche
bedrängten ihn wiederholentlich. Jetzt ist Striegau Kreisstadt, hat fast 11000
Einwohner, erfreut sich eines blühenden Ackerbaues, sendet Getreide bis in die
Mark Brandenburg und beschäftigt viele Arbeiter in den nahen Granitbrüchen.
Die graubräunliche Boluserde, die als Striegauer Erde bekannt ist, die 1568 der
kaiserliche Leibarzt Johann Montanns, ein geborner Striegauer, an dem nahen
Georgenberg entdeckte und unter dem Namen Siegelerde als Heilmittel in den
Handel brachte, dient gegenwärtig nur noch zum Malen und Färben.
Die Schlacht bei Hohenfriedberg am 4. 3uitt 1745. In Striegaus
unmittelbarer Nähe liegt das Dorf Hohenfriedberg, dem Friedrichs des Großen
Sieg einen unsterblichen Namen verliehen hat. Maria Theresia beruhigte sich
nicht bei dem Frieden zu Breslau im Jahre 1742; ihr Streben ging dahin,
sich Schlesien möglichst bald zurückzuerobern. Die günstige Zeit für sie, um
den Kampf mit Friedrich aufzunehmen, schien schon in zwei Jahren gekommen
zu sein. Aber der preußische König ließ nicht die Gefahr an sich herankommen,
sondern ging derselben, so groß sie auch war, kühn entgegen. Mit 80 000
Mann rückte er im August 1744 in Böhmen ein und eröffnete den zweiten
Schleichen Krieg. Am 18. September nahm er Prag, und mit Leichtigkeit
breiteten sich seine Truppen weit nach dem südlichen Böhmen aus, das fast
unbesetzt war. Bald aber zog der Prinz Karl von Lothringen mit einem