R.A. Chr. Kerner. 
123 
14. Dichterische Verklärung seines Todes: — sein sterblicher Geist erscheint 
als überirdisch Licht im Saale. 
15. Ohne daß Glocken rufen und Boten zur Leiche bieten, fühlen's alle 
reue Herzen, daß der Kaiser verschieden — die Liebe ahnt es, weiß es, fühlt 
es . .. die Liebe, wie der Dichter sie schaut. 
. Auf der Burg zu Germersheim, 9. Mancher eilt des Wegs daher, 
Stark am Geist, am Leibe schwach, Der gehört die bange Sage, 
Sitzt der greise Kaiser Rudolf, Sieht des Helden sterbend Bild 
S5pielend das gewohnte Schach. Und bricht aus in laute Klage. 
2. Und er spricht: „Ihr guten Meister, 
ürzte, sagt mir ohne Sagen: 
Wann aus dem gebrochnen Leib 
Wird der Geist zu Gott getragen?“ 
10. Aber nur von Himmelslust 
5pricht der Greis mit jenen zweien; 
Lächelnd blickt sein Angesicht, 
Als ritt er zur Lust in Maien. 
3. Und die Meister sprechen: „Herr! 
Wohl noch heut' erscheint die Stunde.“ 
Freundlich lächelnd spricht der Greis: 
Meister, Dank für diese Kunde!“ 
LI. Von dem hohen Dom zu Speier 
hört man dumpfe Glocken schallen: 
Kitter, Bürger, zarte Frauen 
Weinend ihm entgegenwallen. 
4. „Auf nach Speier! auf nach 
Speier!“ 
Kuft er, als das Spiel geendet: 
„Wo so mancher deutsche Held 
Ciegt begraben, sei's vollendet! 
12. In dem hohen Kaisersaal 
Ist er rasch noch eingetreten; 
Sitzend dort auf goldnem Stuhl, 
Hört man für das Volk ihn beten. 
5. Blast die Hörner, bringt das Roß, 
Das mich oft zur Schlacht getragen!“ 
Zaudernd stehn die Diener all'; 
Ddoch er ruft: „Folgt ohne Zagen!“ 
13. „KReichet mir den heil'gen 
Leib!“ 
—5pricht er dann mit bleichem Munde. 
Drauf verjüngt sich sein Gesicht 
Im die mitternächt'ge Stunde. 
6. Und das Schlachtroß wird gebracht. 
„Nicht zum Kampf, zum ew'gen 
Frieden,“ 
Spricht er, „trage, treuer Freund, 
Jetzt den Herrn, den Cebensmüden!“ 
14. Da auf einmal wird der Saal 
hell vom überird'schen Lichte: 
Und entschlummert sitzt der Held, 
himmelsruh' im Angesichte. 
7. Weinend steht der Diener Schar, 
Als der Greis auf hohem Rosse, 
Rechts und links ein Kapellan, 
Zieht, halb Leich', aus seinem Schlosse. 
15. Glocken dürfen's nicht verkünden, 
Boten nicht zur Leiche bieten, 
Alle Herzen längs des Rheins 
fühlen, daß der Held verschieden. 
16. Nach dem Dome strömt das 
8. Trauernd neigt des Schlosses Lind' Volk, 
Hor ihm ihre Äste nieder; Schwarz, unzähligen Gewimmels: 
Högel, die in ihrer Hut, Der empfing des Helden Leib, 
Singen wehmutsvolle Lieder. Seinen Geist der Dom des Himmels. 
Preis der Tanne. 
1. Stolze, ob du auch himmelwärts dich hebst, du bift doch starr und kalt 
weißt nichts von der Seligkeit, die ich gebe; vergleiche Strophe 2.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.