Full text: Weltgeschichte in funfzig Lebensbildern

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Athenern Gesetze gegeben und war nun zehn Jahre außer Landes 
gegangen, um nicht, wenn er geblieben, auf Bitten der Athener eins 
oder das andere seiner Gesetze wieder aufheben zu müssen. Diesem 
Solon ließ Krösus alle seine unzähligen Schätze zeigen und fragte 
ihn, wen er für den glücklichsten aller Menschen halte. Solon ant¬ 
wortete: den Tellus von Athen, weil er in der blühendsten Vater¬ 
stadt edle und vortreffliche Söhne hatte, nach einem glücklichen Le¬ 
ben den glücklichen Tod im Kampfe für das Vaterland starb und 
nach seinem Tode von seiner Vaterstadt hoch geehrt wurde. Krösus 
fragte, wer denn der zweite der Glücklichen wäre: denn die zweite 
Stelle hoffte er doch wenigstens zu erhalten. Solon aber erwiderte: 
Kleobis und Biton von Argos, zwei Jünglinge von großer Kör¬ 
perkraft und trefflichen Sitten. Als ihre Mutter einst zur Feier 
eines Festes in den Tempel fahren musste und die Rinder nicht 
zur rechten Zeit vom Felde hereingekommen waren, spannten sich 
die Jünglinge selbst vor den Wagen und zogen ihre Mutter zum 
Tempel, einen Weg von anderthalb Meilen weit. Das ganze Volk 
pries diese That. Die Mutter erflehete für sie von den Göttern 
den besten menschlichen Segen. Die Jünglinge schliefen im Tem¬ 
pel ein und erwachten nicht wieder. Das Volk errichtete so edeln 
Söhnen Bildsäulen. Da ward Krösus unwillig und sprach: Gelte 
ich mit meinen Reichthümern dir denn so gar Nichts, daß du sogar 
gemeine Bürger mir vorziehest? Solon aber antwortete: Du bist 
reich und ein Herr vieler Völker: glücklich aber kann ich dich nicht 
nennen, bevor ich nicht dein Ende weiß. Diese Antwort gefiel dem 
Krösus nicht; darum entließ er ihn und hielt ihn noch dazu für 
sehr unweise, weil er die Güter der Gegenwart nicht achtete. 
Dieser Krösus hörte kaum von dem Falle des Astyages (seines 
Schwagers), als er auch beschloß, gegen den Cyrus zu Felde zu 
ziehen. Um aber recht sicher zu gehen, befragte er erst das Orakel 
d. h. heidnische Priester, von welchen man glaubte, daß sie die Zu¬ 
kunft vorher sagen könnten. Dieses antwortete ihm, er werde, 
wenn er mit seinem Heere über den Halys ginge, ein großes Reich 
zerstören. Krösus konnte sich's nicht anders denken, als daß damit 
eben das Perserreich gemeint sey, und begann den Kampf. Allein 
Cyrus gewann den Sieg, eroberte ganz Lydien mit seiner Haupt¬
	        
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