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Städtchen auf Seeland, zu wohnen, und that Alles, dem nun zum Greise
gealterten Manne seine langen Trübsale vergessen zu machen. Hier ist er
1559 gestorben.
80. Ferdinand I. — Maximilian II. — Rudolph 11. — Matthias.
(Ferdinand I. 1556—1564. Streitigkeiten in der evangelischen Kirche. Flacius in Jena
und die Wittenberger. Naumburger Convent 1561. Ende des tridentinischen Concils
1563. Maximilian II. 1564—1576. Friedrich III. von der Pfalz und Jakob Andrea
in Tübingen. Grumbachische Händel 1558 — 1567. Johann Friedrich von Gotha. Ni¬
colaus Zrini in Szigeth 1566. Rudolph II. 1576—1612. Verbesserung des Calenders
unter Gregor XIII. 1581. Vertreibung der Evangelischen ans Oestreich. Unduldsamkeit
der Evangelischen in Sachsen. Kryptocalvinismus. Concordienformel 1580. Christian I.
von Sachsen 1581 — 1589. Hinrichtung Krells 1591. Uebertritt des Erzbischofs Gebhard
von Cöln zum evangelischen Glauben 1583. Empörung der Ungarn unter Stephan
Botskai 1604. Tycho de Brahe 1597. Beschränkung Rudolphs durch Matthias 1608.
Majestätsbrief 1609. Union 1608. Katholische Liga 1609. Jülich-Clevischer Erbfolge¬
streit 1609—1614. Dortmunder Vergleich 1609. Vergleich in Lauten 1614. Entsetzung
Rudolphs 1611. Matthias 1612 —1619. Erneuerung des Majestätsbriefs durch Erzher¬
zog Ferdinand.)
Ferdinand I. 1556— 1564, Kaiser Karls Bruder, hatte sich schon
als römischer König als einen gemäßigten, milddenkenden Mann gezeigt, und
so war er auch als Kaiser. Weder in seinen Erbländern, namentlich in
Schlesien, wo die evangelische Lehre immer mehr Freunde fand, noch im
übrigen Deutschland, verfuhr er gewaltthätig gegen die Evangelischen, so
innig und fest er selbst auch an dem katholischen Glauben hing, und nur
durch Milde suchte er die sich anfeindenden Parteien zu versöhnen. Gern
hätte er den Papst bestimmt, den Abendmahlskelch und die Priesterehe zu ge¬
statten; aber nur das Erstere konnte er bewirken, und selbst dies wurde
bald wieder zurückgenommen.
So innig sich auch jeder Menschenfreund hatte freuen müssen, als Luther
die Mißbräuche der katholischen Kirche angegriffen, und die Christen zu der
einfachen Lehre Jesu, wie die Evangelisten selbst sie uns mittheilen, zurück¬
geführt hatte, so zeigte es sich doch auch hier bald, wie unvollkommen alles
menschliche Beginnen ist, und wie der Mensch durch seine Leidenschaft auch
das Edelste verdirbt und verunstaltet. Zunächst war ein bitterer Haß zwi¬
schen Lutheranern und Reformirten entstanden, der durch die Wittenberger
Concordienformel nur aus kurze Zeit gebannt worden war, obgleich beide sich
so leicht hätten einigen können. Selbst in der lutherischen Kirche zerfiel man
in zwei Parteien. Die gemäßigtere folgte dem sanften Melanchthon, während
die heftigere sich genau an Luthers Worte hielt, der doch auch nur ein irren¬
der Mensch, und in manchen Vorurtheilen, die er in seiner Jugend einge¬
sogen hatte, befangen gewesen war. Ueberhaupt waren es mehr die Worte,
um welche man stritt, als der Geist der Religion. Statt durch Gründe den
Andersdenkenden zu belehren, schimpfte man lieblos auf ihn, und jede Partei
verfluchte die andere, ein sicheres Zeichen, daß keine den wahren Geist der
Religion Jesu ergriffen hatte, der nicht an gewisse Worte oder Formen und
Gebräuche gebunden ist, sondern sich durch unbeschränktes Gottvertrauen,
strenge Befolgung seiner Gebote, und innige Liebe zu den Mitmenschen offen¬
bart. Der hat gewiß nicht den Geist der Liebe Jesu erfaßt, der seinen