Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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fürsten verschwägert, lebte und schaltete er im Reiche „wie ein Vater unter 
seinen Kindern." Er selbst, seinem Grundsätze, Bündnisse durch Heirathen 
zu stiften getreu, vermählte sich in seinem sechs und sechzigsten Jahre niit 
der vierzehnjährigen I sab ella, Tvchter des verstorbenen Herzogs 
von Dijon. 
Ruhiger Lebensgenuß aber war ihm, wie allen deutschen Herrschern, 
auch im Alter nur wenig beschieden. Der Unruhen und Ausstände in allen 
Theilen des Reiches war kein Ende. In Köln trat ein Betrüger auf, Tile 
Kolup oder Friedrich Holzschuh, wie er in der Geschichte heißt, der sich 
für Friedrich II. ausgab und am Rheine nicht unbedeutenden Anhang 
gewann, da es immerhin einzelne Städte gab, welche den Schutz und die 
Bevorzugung, die der König den Städten überhaupt und besonders den 
rheinischen angedeihen ließ, zu theuer erkauft fanden. Die Summen, 
welche Rudolf als Gegengabe forderte, waren sehr groß; er hatte nie Geld. 
Um diese Zeit war es auch, daß die heftigen Judenverfolgungen 
begannen, welche Hunderttausenden friedlicher Menschen in den letzten 
Jahrhunderten des Mittelalters das Leben gekostet und ihre Familien in's 
Elend gestürzt haben. Um einer solchen Judenverfolgung, wohl auch 
um noch näherer Zwecke willen, lag Rudolf mit starker Macht vor 
Bern, als die Stadt Köln in der berühmten Schlacht bei Woringen 
5. Juni 1288 die Macht des unruhigen und räuberischen Siegfried, 
Erzbischofs von Köln, und der mit ihm verbündeten Fürsten ruhmvoll 
besiegte. Der heiße Streit dauerte vom frühen Morgen bis Mittag. Es 
war ein „homerisches Kämpfen." Gegen die eisernen Keulen aber des 
städtischen Heeres, gegen die Hellebarde und den Morgenstern, wenn sie 
von nerviger Faust geschwungen wurden, gab es keinen Schutz. Von den 
Leuten des Erzbischofs allein lagen um zwei Uhr Mittags elfhundert 
Ritter am Boden. Seit dieser Zeit schreibt die Chronik von Köln: „daß 
sie sich schreiben und sind Herren der Stadt von Köln und freie Bürger." 
Einen Zug nach Wälsch-Burgund vollendete Rudolf mit großen 
Ehren. Als König Philipp von Frankreich ihn durch Boten aufforderte, 
das Land zu räumen, sprach er ruhig: „Glaubt euer König, daß wir 
hierhergekommen sind, zu tanzen?" Vor Besannen sah man den ein und 
siebenzigjährigen König im Lager sitzen, sein zerrissenes Wams flickend und 
eine rothe Rübe verspeisend. Als der Befehl zum Angriff gegeben ward, 
sprachen die belagerten Herren: „Er wird uns fassen und sollt' er auf 
Händeu und Füßen herausklettern." Sie kapitulirten und leisteten darauf 
Huldigung zu Basel. 
Am 14. Dezember 1289 hielt Rudolf einen feierlichen Einzug zu 
Erfurt. Nirgend war Hülfe nöthiger, als in den sächsischen und thürin- 
genschen Landen. Hier hauste das Faustrecht in seiner rohesten Gestalt. 
Markgraf Heinrich lag im Zwist mit seinen Söhnen; Friedrich mit der 
gebissenen Wange hatte seinen Vater, Albrecht den Unartigen, gefangen 
genommen. Ordnung und Sicherheit war verschwunden. Ein Raubnest
	        
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