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15.
Verhältnis; der Europäischen Mächte zur
Französischen Revolution.
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Das große Schauspiel in Frankreich hatte die
Aufmerksamkeit der Welt im höchsten Grade er¬
regt, und die Gemüther der Fürsten wie der Völ¬
ker zu einer noch nie erlebten Theilnahme entzün¬
det. Anfangs zwar betrachteten die ersteren das¬
selbe nur mit den Augen der Kabinetspolitik in
Beziehung auf die Veränderung, welche das Gleich¬
gewicht der Staaten durch die Schwächung Frank¬
reichs erleide. Preußen sah die innere Zerrüttung
eines Staats nicht ungern, der mit Oesterreich
durch die Bande der Verwandtschaft und Bundes¬
genossenschaft eng verknüpft war. England aber
wurde beschuldigt (ob mit Recht oder Unrecht?
ist nicht zu entscheiden), die Unruhen durch Be¬
soldung der Pöbelführer geschürt zu haben, um
an Ludwig XVI. für die den Amerikanern gelei¬
stete Unterstützung Rache zu nehmen, und durch
die Auflösung Frankreichs die Britische Seeherr--
schaft von ihrem einzigen bedeutenden Nebenbuhler
zu befreien. *) Bald aber gewann alles in den
Vorstellungen der Machte eine andere Gestalt. Die
Eingriffe und Herabwürdigungen, welche die Kö-
*) Ludwig selbst hegte diesen Glauben, wie der Entwurf
eines Briefes an den König von England aus dem Jahre 1790,
bezeugt, der sich in feiner Correspvndenz befindet. Tom i,
lettre 3Sme.