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er gefaßt hat. Noch geht Alles gut, denn solcher Ereignisse ist der durch tausend 
Gefahren geprüfte Seemann schon gewohnt. Weiß er nur, daß er auf 5tttt Meilen 
kein Land vor sich hat, so kann er solchen Sturm schon aushalten. Nun aber hebt 
der Wind noch heftiger und wilder seine Schwingen. Schon darf das Sturmsegel, 
womit der Steuermann noch das Schiff zu lenken, in seiner Bahn zu halten im 
Stande ist, nicht mehr gebraucht werden. Obwohl es aus dein stärksten, doppelten 
Hanftuche gemacht ist, so zerreißt der wüthende, stoßweise kommende Wind dasselbe 
doch spielend. Die Segel, welche zusammengebunden an den Raaen vor den Masten 
hängen, müssen ganz herabgenommen werden, weil selbst an diesem kleinen, gering¬ 
fügigen Gegenstände der Wind zu viel Macht ausübt, weil er das Schiff gewaltsam 
auf die Seite neigt und es umzustürzen droht. So seiner sämmtlichen Segel be¬ 
raubt, treibt es nur noch vor den leeren Masten und ist nunmehr nicht ferner zu 
lenken. Es ist ein Spiel der Winde, ja im höchsten Wüthen des erzürnten Stur¬ 
mes muß man sogar die Masten kappen, d. h. nahe an dem Verdecke abhauen. So 
fliegt es auf der öden Meeresfläche umher, rettungslos verloren, nicht durch den 
Sturm, der ihn, jetzt nichts mehr anhaben kann , wenn seine Rippen nur fest sind 
und die Planken gut und frisch, sondern dadurch, daß es nicht gelenkt werden, also 
auch, wenn der Sturm vorüber ist, keinen Hafen erreichen kann. Es zerschellt dann 
entweder an einer Klippe, oder bleibt auf einer Sandbank sitzen, bis die Wellen 
ein Brett nach dem andern losspülen. Es treibt auch wohl auf dem Meere umher, 
bis die Mannschaft vor Hunger und Durst zur Verzweiflung gebracht ist, bis viel¬ 
leicht doch noch der glückliche Zufall den Nothleidenden ein Schiff in den Weg führt, 
das sie aufnimmt, oder bis sie Alle zu Grunde gehen. Minder länger dauert die 
Qual der so durch den Sturm Verunglückten, wenn derselbe sie in einem Insel- 
oder Klippenmeere überrascht. Zerschmettert ist bald auf dem glasharten Felsen das 
hölzerne leichte Gebäude; die Trümmer schwimmen in den 'Strömungen umher. 
Der entsetzliche Hay sucht seine Beute unter ihnen. Eine brandende Welle entreißt 
Andern die rettende Planke, mit der sie die nahen Ufer zu erreichen hofften, und 
begräbt sie im Meere. Am Morgen freuen sich dann die Anwohner des gesegneten 
Strandes. Denn was die Wogen von der Ladung heraufspülen, das gehört ihnen. 
17. Die Wasserhose. 
In den heißen Ländern wüthen die Orkane zuweilen mit einer Kraft, wovon 
wir in unserm ruhigen Landstriche keine Vorstellung haben. Sie brechen dort jedes 
Jahr los, wenn die großen regelmäßigen Aenderungen der Witterung erfolgen, wenn 
also z. B. auf die lange trockene Hitze die Regenzeit eintritt. Es erscheint am heitern 
Himmel, auf dem Meere am Himmelsrande, zu Lande auf den Gipfeln hoher Berge, 
ein schwarzes Wölkchen. Die Luft regt sich nicht, die Fläche des Meeres ist spiegel¬ 
glatt. Eine Gattung Vögel, deswegen Sturmvogel genannt, flattert heran lind setzt 
sich auf die Masten, oder sucht das Ufer. Dann eilt der Schiffer, um die ausge¬ 
breiteten Segel einzuziehen, und der Landbewohner rettet sich und was ihm werth ist, 
dahin, wo ec sicher zu sein glaubt. Denn plötzlich brechen von allen Seiten die Stürme 
los. Ungeheure Wolkenmaffen scheinen herabstürzen zu wollen, während das hoch¬ 
wogende Meer in seinen Wasserbergen sich zu ihnen emporhebt. Und oft trifft das 
Wassermeer der Erde und das Wolkenmeer des Himmels zusammen. Ein wirbeln¬ 
der Sturm rührt sie durcheinander und führt ihre Massen zerstörend weiter. Man 
nennt diese Erscheinungen Wasserhosen, der Schrecken der Schiffer >rnd nicht Zelten 
derer, die an den Küsten wohnen. Mannigfaltig sind die Beschreibungen, welche 
Augenzeugen von ihnen geben. Sie sind kleiner und größer, oft von sehr großem 
Umfang. In einem Kreis von dreißig bis fechszig Ellen im Durchmesser fängt das 
Meer an zu kochen. Das weißlich schäumende Wasser hebt sich fußhoch empor über 
die übrige Fläche. Ein schwarzer dicker Nebel schwebt darauf; es brauset gleich ge¬ 
waltigen Strömen und zischt, als wenn ein Heer von Schlangen in dem Nebel 
stäche. Die Wolken, welche sich dieser Stelle nähern, senken sich in einer oder meh¬ 
reren Spitzen nieder und verbinden sich mit dem Nebel, welcher in dichten Massen 
vom wogenden Meere aufsteigt. Da, wo es geschehen ist, steigen die Dünste und 
das Seewasser wirbelnd in einer oder mehr Röhren von dunkelblauer Farbe auf¬ 
wärts. So zieht die ausgebildete Wasserhose oder Trombe, indem sie mit dem brei¬ 
ten Fuße auf dem Meere steht, in der Mitte schmal ist, und nach oben sich 
wieder breiter ausdehnt und an den Wolken hängt, unaufhörlich die Meereßfluth
	        
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