Full text: Der sächsische Kinderfreund

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und nach abgestumpft und für den Reiz der gewöhnlichen 
Speisen unempfänglich werden, das lehrt die Erfahrung. 
Einem sogenannten Gutschmccker will die tägliche Hausmanns¬ 
kost gar nicht mehr behagen, weil er seinen Gaumen ver¬ 
wöhnt hat, und der Trunkenbold findet an dem einfachen Ge¬ 
tränke kein Wohlgefallen mehr. 
Endlich wollen wir den Sinn des Gefühls erwäh¬ 
nen. Wir fühlen am ganzen Körper, weil derselbe überall 
mir Nerven versehen ist. . Man mag sich an der Hand, am 
Fuße, am Kopfe, oder wo man sonst will, berühren, so 
wird man cs auch wahrnehmen. Freilich giebt cs gewisse 
Theile, wo das Gefühl ganz besonders sich zu erkennen 
giebt. Hi eh er gehören die Fingerspitzen. Warum aber 
gerade diese? Weil sie uns Gott recht eigentlich zum Fühlen 
gab. Mit ihnen kann der Mensch die feinsten Arbeiten 
verrichten, die größten Fertigkeiten der Kunst erlangen. 
Denkt nur an den Violinspieler, den Flötenbläser, den Uhr¬ 
macher, den Schönschreiber; überlegt nun, wie man die 
Fingerspitzen zum Nähen, Stricken, Sticken, so wie zu 
andern Beschäftigungen nöthig hat. Sie find daher auch 
mit einer feinen Haut überzogen und ihr seht es leicht ein, 
wie gewissenlos es sey, wenn man ein Kind damit bestraft, 
daß man $ mit einem Stocke oder mit einem Lineale 
auf die zusammengehaltenen Fingerspitzen schlägt. Solche 
Strafen find wahrhaft barbarisch. Durch Abhärtung und 
lange Gewöhnung können manche Theile des Körpers un¬ 
empfindlich gemacht werden. So bekommt der Holzmacher, 
der Landmann, der Schmied nach und nach eine hornartige 
Haut in den Händen, wodurch das feine Gefühl verloren 
geht; desgleichen wird der Feuerarbeiter, der immer an der 
Glut des Feuers steht, gegen letzteres unempfindlich; wer 
täglich eine starke Fußreise macht, der bekommt zuletzt eine 
harte Haut an den Fußsohlen und ist gegen die Anstrengung 
des Marsches weit gleichgiltiger, als ein andrer, der nur 
selten sich auf den Weg macht; dasselbe sehen wir bei denen, 
welche barfuß zu gehen pflegen. Eben so empfindet man 
die Kalte, die Hitze und überhaupt den Wechsel der Wit¬ 
terung nur wenig, wenn mW durch lange Gewöhnung den 
Körper abgehärtet hat. Verzärtelte Menschen, die jedes 
Lüftchen scheuen-, werden daher so empfindsam, daß sie sich
	        
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