Full text: Preußischer Kinderfreund

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dabei ja fein, und wunderte sich darüber. Aber der brave 
Mann im Kittel erwiderte ihm: „Es wäre mir übel gefehlt, 
wenn ich so viel brauchte. Mir muff ein Drittheil davon 
genügen, mit einem Drittheile zahle ich meine Schulden ab, 
und das übrige Drittheil lege ich auf Kapitalien an." Das 
war dem guten Fürsten ein neues Räthsel. Aber der fröh¬ 
lich? Landmann fuhr fort, und sagte: „Ich theile meinen 
Verdienst mit meinen armen Eltern, die nicht mehr arbeiten 
können, und mit meinen Kindern, die es erst lernen müssen; 
jenen vergelte ich die Liebe, die sie mir in meiner Kindheit 
erwiesen haben, und von diesen hoffe ich, dass sie mich einst 
in meinem Alter auch nicht verlassen werden." War das 
nicht artig gesagt, und noch schöner und edler gedacht und 
gehandelt? Der Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des 
wackern Mannes, sorgte für seine Söhne, und der Segen, 
den ihm seine sterbenden Eltern gaben, wurde ihm im Älter 
von seinen dankbaren Kindern durch Liebe und Unterstützung 
redlich entrichtet. 
13!. Der deutsche Jägerbursche. 
Ein in Polen wohnender, deutscher Untcrförster sandte 
eines Abends seinen Sohn, einen vierzehnjährigen Burschen, 
ansein benachbartes Dorf. Als der Knabe wieder nach Hause 
ging und kaum noch 300 Schritt von der väterlichen Woh¬ 
nung entfernt war, sah er Etwas auf dem Wege sitzen, das 
er anfänglich für einen Hund hielt. Der Mond warf sein 
falbes Licht auf den Weg; der Schnee siinkerte; es war eine 
entsetzliche Kälte. Der Bursche trat noch einige Schritte 
vorwärts und erkannte einen Wolf. In der Jugend hatte 
er oft erzählen hören, dass, wenn man von einem Bären 
verfolgt werde, es rathsam sei, sich auf die Erde zu werfen 
und sich todt zu stellen. In der Angst verwechselte er dies, 
meinte, sein Leben sei auch gegen den Wolf auf diese Weise 
gesichert, und warf sich platt auf die Erde. Der Wolf nä¬ 
herte sich augenblicklich mit langsamen, bedächtigen Schrit¬ 
ten, stand vor ihm still und schnoberte forschend. Der 
Bursche rührte kein Glied. Jetzt umging ihn der Wolf, 
stand dann unten bei den Füßen still und fing an, i!n zu 
beriechen und hier und da mit der Schnauze zu bestoßen. 
Ueberall traf er auf Kleidungsstücke. Er rückse immer hö¬ 
her und höher nach dem Kopfe herauf und kam an's Genick, 
an das erste Fleisch. Er leckte, er schnoberte und kniff mit 
den Lippen (das Wasser lief ihm dabei aus dem Rachen) dem 
Burschen in die Halsbinde. Das Lecken wurde lebhafter, das 
Schnobern heftiger, gieriger. Der Wolf trat jetzt mit einem
	        
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