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B. Aus der brandenburgisch-preustischen Geschichte.
trösten. Unter Tränen lächelnd setzte sie ihm den Kranz auf. Diesen
Augenblick hat der Prinz nie vergessen, und die Kornblume war seitdem
seine Lieblingsblume.
3. Tod der Mutter. Drei Jahre hielt sich die königliche Familie
im Osten auf, dann erst konnte sie nach Berlin zurückkehren. Aber
schon im folgenden Jahre erkrankte die Königin Luise bei ihrem Bater
in Mecklenburg so heftig, daß der König mit feinen beiden ältesten
Söhnen ort ihr Sterbebett eilte. „Ach, welche Freude!" rief die ster-
beude Mutter. „Lieber Fritz, lieber Wilhelm, seid ihr da?" Weinend
knieten beide Söhne an ihrem Bette, und die Mutter legte ihnen noch
einmal segnend die Hände aufs Haupt. Dann entschlief sie. Solange
Prinz Wilhelm lebte, stieg er wenigstens am Geburts- und am Sterbe-
tage der Mutter in das Grabgewölbe des Mausoleums hinab, um an
ihrem Grabe zu beten.
4. Das Eiserne Kreuz. Als der Freiheitskampf begann, wäre
Prinz Wilhelm gern sofort mit ins Feld gezogen wie sein älterer
Bruder; aber der Vater sagte: „Bist noch zu schwach?" Als aber die
Schlacht bei Leipzig geschlagen war, durste er seinen Bater begleiten.
In Frankreich hatte er auch bald Gelegenheit, seinen Mut zu beweisen.
Während einer Schlacht befahl ihm sein Vater: „Reite doch einmal hin
und erkundige dich, wie das Regiment heißt, das dort so schwere Ber-
luste erleidet!" Sosort sprengte der Prinz dorthin, mitten durch den
Kugelregen, überzählte die Gefallenen und brachte seinem Vater die Nach¬
richt. Der König sagte nichts; aber er freute sich über den jungen
Helden und schenkte ihm das Eiserne Kreuz. Dieser Orden war
ihm unter allen Orden, die er später als Kaiser trug, der liebste. Zwei-
mal — 1814 und 1815 — ist der Prinz an der Seite seines Vaters
in Paris eingezogen.
5. Vermählung. Nach Beendigung des Krieges wurde der Prinz
konfirmiert. Dann widmete er sich ganz dem Soldatenberufe, und
daß er ein tüchtiger Soldat geworden ist, hat er später bewiesen. Im
Alter von 32 Jahren vermählte er sich mit der Prinzessin Augusta
von Weimar. Zwei Kinder wurden ihnen geschenkt: der spätere Kaiser
Friedrich III. (S. 73) und die Prinzessin Luise, die sich mit dem Groß-
herzog von Baden vermählte.
2. König Wilhelm; seit 1861.
1. Wie er König wurde. König Friedrich Wilhelm IV. (S. 63)
war in den letzten Jahren häufig krank; deshalb mußte sein Bruder-
Wilhelm ihn ost vertreten und zuletzt ganz für ihn regieren. Da der
König keine Kinder hatte, so wurde, als er 1861 starb, Prinz Wilhelm