Full text: Deutsches Lesebuch für die oberen Abtheilungen ein- und mehrklassiger Elementarschulen in der Stadt und auf dem Lande

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davonlaufen und seinen Wagen nebst Krone, Kaisermantel und vielen Kostbarkeiten 
den Siegern überlassen. Schon am 20. Juni kam er in Paris an. Hier zwang 
man ihn, dem Throne zu entsagen. Unter kleinen Treffen und beständigen 
Scharmützeln gelangte auch das BundeSheer bis vor Paris und hielt am 7. Juli 
znm zweiten Piale einen Siegeseinzug. Tagö darauf traf auch der geflüchtete 
König Ludwig XVIII. wieder ein. Napoleon versuchte nach Amerika zu entkommen, 
wurde aber gefangen genommen, nach der einsamen Insel St Helena, im 
atlantischen Meere, geschikkt, und unter Englands Aufsicht gestellt. Da hat er 
noch 0 Jahre gelebt und ist am 5. Mai 1821 am Magenkrebs gestorben. 
Am 20. Nov. 1815 kam der zweite pariser Friede zu Staude. Der 
kostete Frankreich große Opfer. Es mußte alle geraubten Kunstschätze herausgeben, 
700 Millionen Franken Kriegsschulden bezahle», mehre Landeöstriche abtreten, eine 
Reihe Festungen auf 3 bis 5 Jahre dem Bunde übergeben und 150000 Mann 
Bundestruppen darin unterhalten. Nun wurden auch die Verhandlungen auf 
dem Wiener Kongreß wieder fortgesetzt. Preußen bekam alle Länder wieder, die 
eS im Frieden von Tilsit verloren hatte; außerdem erhielt cö noch einen großen 
Theil vom Königreich Sachsen, schöne Länder am Rheinstrome, auch schwedisch 
Pommern nebst Rügen und das Großherzogthum Posen. Dagegen trat es an 
Baiern und Hannover einige entlegene Landestheile ab. 
Die drei Monarchen, Franz, Alexander und Friedri ch W ilHelm III., 
schlossen mit einander einen heiligen Bund, wonach sie alö Bevollmächtigte 
der Vorsehung, ihre Unterthanen nur allein nach den Grundsätzen der heiligen 
Religion unsers Heilandes zu regieren gelobten. Fast alle Fürsten und Staaten 
traten demselben bei. Außerdem vereinigten sich sämmtliche Fürsten und freien 
Städte Deutschlands zu einem bleibenden Bunde, um Deutschlands Ruhe 
und Sicherheit nach innen und außen zu erhalte». So feierte denn endlich ganz 
Europa, insonderheit aber das unterdrükkte und verhöhnte Deutschland seinen 
Triumph über Frankreich. Aller Kampf hatte nun ein Ende! — 
„Sticht uns'rer Ahnen Zahl. nicht künstliche« Gewehr, 
„Die Eintracht schlug den Feind, die ihren Arm delcdte. 
„Lernt, Brüder, eure Kraft; sie ist in eurer Treu! 
„Ach, würde sie noch jetzt bei jedem Leser neu! 
* 
Seit dieser Zeit ist sogar Vieles anders geworden, alö es früher war, daß 
man wohl sagen kann: wir leben in einer neuen Zeit. Gott erhöhte die 
Gedemütbiglen wieder. In den deutschen Landen kehrte Ruhe und Wohlstand 
zurükk. Besonders Preußen und Oestreich, die so viel gelitten hatten, erholten 
sich immer mehr und bildeten mit Rußland drei große Mächte im Osten von 
Europa, deren Fürsten immer bemüht waren, den Frieden zu erhalten und in 
ihrem Lande, jeder auf seine Weise, eine gute Einrichtung nach der andern Hu 
machen, und nach und nach zu bessern, was nicht gut war. Unser guter Kömg 
suchte durch eine vortreffliche Regierung, durch ein wohlgeordnetes Militairwesen 
sein Land zu beglükken und zu sichern. Akkerbau, Gewerbe, Fabriken und 
Manufakturen wurden befördert, Kunst und Wissenschaft sorgsam gepflegt und 
für Kirchen und Schulen aufs beste gesorgt. Im Westen Europas war es nicht 
so ruhig. Die Franzosen wurden nach und nach unzufrieden mit ihrem Könige, 
empörten sich endlich, vertrieben König Karl X. (1830) und setzten den Herzog 
von Orleans, Ludwig Philipp, an dessen Stelle, der aber auf dem gefahr¬ 
vollen Throne viele schwere Tage erlebte und endlich (1848) auch sein Heil in 
der Flucht suchen mußte. Den Franzosen haben eö Andere nachgemacht: In der 
Schweiz vertrieb man die alten Regierungen; Belgien riß sich von Holland 
los, und Polen wollte sich von Rußland losreißen, was aber nicht gelang. 
Schon früher aber hatten die Griechen das türkische Joch abgeworfen (1827) 
und bildeten nun, nach einem heftigen Kriege 'mit den Türken, ein neues
	        
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