54
Welten, Raume, Zeiten. Ihren Kindern
Stehen ewig vor Gesetz und Ordnung,
Lieb' und strenges Schicksal, alle leitend,
Alle leitend zum lebend'gen Vater.
Laß den Schleier sinken, heil'ge Mutter,
Schlage zu dein Buch voll Gottesschriften;
Denn ich kann nicht weiter, kann nicht höher
Klimmen in Gedanken. Neige lieber
Her das Füllhorn deiner Ruh' und träufle,
Träufle sanft mir zu, o du, des Schlafes
Und der Traume Mutter, träufle sanft mir
Zu Vergessenheit von meinen Sorgen.
Fühl' ich nicht, wie ihre Schlummerbinde
Mich umhüllet, wie mit Mutterhanden
Sie mein fallend Augenlid mir zuschließt?
Welche Geister, die schon vor mir gau¬
keln! —
Angesichte, treffliche Gestalten
Andrer Welt. Ein süßes Licht umstrahlt
mich,
Das mein wachend Auge nie gesehen.
Welch' ein Mond! o welche schöne Sterne!
Schweb' ich? schwimm' ich? steig' ich? sink'
ich nieder
Vor dem Thron des Unerschaffnen? Engel,
Genien sind um mich, die Gespielen
Meines Lebens und auch du, mein Bruder,
Du meinSchutzgeist, den ich nimmer kannte—
Reichst Du mir die Hand? bist hold und freund¬
lich ?
Ziehst mich mit in diese Lobgesange,
Ach! in die mein Geist verhallte.
Schlummre wohl indeß, du trage Bürde
Meines Erdenganges. Ihren Mantel
Deckt auf dich die Nacht und ihre Lampen
Brennen über dir im heil'gen Zelte.
Gottes Wachter steigen auf und nieder
Von den Sternen, und des Himmels Pforte
6. Das
Hörest du die Wolken rauschen?
Die Orkane wüthend stürmen?
Schwarze Wetterfahnen tauschen
Unflat aus den Thürmen
Ihre Richtung.
Der Vernichtung
Herold kündet
Untergang.
Steht dir offen in verborgnen Traumen.
Aller Engel, aller Sel'gen Seelen
Göttliches Concert; sie blicken alle,
Monde, Sonnen auf, zu welcher Sonne?
Welchem Mittelpunkt in allen Kreisen?
Welchem Allumfaffer, Allersüller —
Mir auf meinem Wandelstern unsichtbar,
Nicht unsichtbar einst dem Sonnenbürger?—
Sieh! und alle blicken so vertraulich
Auf mich nieder! — Seht ihr mich, ihr
Sterne,
Mich, des Staubes Staub, der ich euch
denke,
Meine Freund' euch nenne, die Gespielen
Meiner süßesten, erhabnen Wollust,
Meiner besten Ruhe stille Zeugen?
Jünglinge des Himmels, süße Kinder
Der verklärten Nacht, du hold Geschwister
Meiner Andacht, meiner Ruh' und Hoff-
^ nung:
Ach, wie glanzet ihr so lange, lange
Schon in euren schönen Feierkleidern,
Eh' ich war und eh' die Erde da war!
Und wenn ich nicht mehr, wenn lange, lange
Sie nicht mehr ist: wenn der dumpfe, ferne
Erdenton, das Seufzen seiner Pole
Euer Lichtconcert nicht mehr wird stören,
Nicht in eure Hymnen mehr wird jammern:
Werd'ich denn, Holdsel'ge, mit euch zie¬
hen?
Blüht in euren amaranthnen Lauben
Auch für mich ein Kranz der Lieb' und Un¬
schuld ?
Daß ich, stimmend ein in euren reinen
Jubel, auch vertraulich wieder winke,
Einem Irrenden ein Strahl der Leitung,
Einem Traurenden ein Stern der Hoff¬
nung?
Herder.
Gewitter.
Rasch und lang
Zuckt der Blitz und zündet
Hütten, wo die Hirten wohnen,
Sale, wo beim Feste
Taumeln Gaste,
Und Palaste,
Wo die Herrscher thronen.
Donner rollen,