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Als Franz I. von Oesterreich 1837 starb, folgte ihm Ferdi¬
nand I., und nun kam die Zeit, wo Ungarn, Böhmen und Lom¬
barden die Metternichsche Regierungsweise unerträglich fanden,
Metternich im Inlande so viel Schwierigkeiten fand, daß er im
Auslande Vieles mußte sich gefallen lassen, da auch Rußland,
Frankreich und England seiner diplomatischen Künste satt waren.
In Deutschland aber war es möglich, daß der in England ver¬
haßte Herzog von Cnmberland, der als Ernst August das König¬
reich Hannover ererbte und kein Deutsch verstand, ohne Weiteres
die Verfassung aufhob und beim deutschen Bunde Billigung fand,
wie bereits erzählt ist. Dieser Prinz saß nämlich tief in Schulden,
wollte daher die Domänen nicht hergeben, sondern mit deren Er-
trägniß seine Schulden bezahlen. Die Annexion, welche Preußen
später vollzog, ist in der That nur eine höhere Gerechtigkeit,
da sie die deutschen Hannoveraner von der Willkürherrschaft eines
englischen Tory befreite.
Unter solchen Verhältnissen richteten die Deutschen ihre Hoff¬
nungen auf Preußen, welches den Zollverein als materielle Grund¬
lage für das einstige einige Deutschland mit großen Opfern ge¬
gründet und Oesterreich gegenüber muthig aufrecht erhalten hatte.
Preußen als protestantischer Staat mußte die Freiheit des Ge¬
wissens, der Wissenschaft und der Ueberzeugung schützen, sobald
Männer zur Herrschaft gelangten, welche diesen geschichtlichen Be¬
ruf Preußens zu würdigen und zu bethätigen entschlossen waren.
Es gab Männer genug in Preußen, welche diese Aufgabe Preu¬
ßens vollkommen begriffen, wie dies die Provinziallandtage be¬
wiesen. Seltsamerweise ging der politischen Bewegung die reli¬
giöse der Deutschkatholiken und Lichtfreunde voraus, denn die Ma-
giltrate der großen Städte nahmen sich derselben an, wurden aber
abgewiesen (1846). Aber in religiösen Dingen zeigte sich das
preußische Volk empfindlicher als in politischen, da es hier zuerst
zur Selbsthilfe griff durch die Gründung freier religiöser Ge¬
meinden. Indessen stand diese Bewegung bald still, entweder weil
es an hervorragenden Persönlichkeiten fehlte, oder weil diese Be¬
wegung von der politischen Revolution überrascht und auf die
Seite gedrängt wurde. Die freien Gemeinden fanden wenig Aus¬
breitung und wußten auch wohl selbst nicht recht, was sie eigentlich
wollten. Das öffentliche Interesse wandte sich bald von ihnen
ab, sie selbst verirrten sich in socialistische und ultrademokratische
Bestrebungen, und so verwandelten sie sich in politische Vereine,
selbst die Lichtfreunde sahen ihr Licht bald verlöschen, da es ihnen
an großen, hinreißenden Ideen fehlte und sie nur den wissen¬
schaftlich überwundenen Rationalismus aufwärmten.
Unwirksam protestirten auch in Preußen die Magistrate der
großen Städte gegen die einseitig erlassene Kirchenverfassung,