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ß. Erdkunde.
Deutschland.
540 000 qkm. 52 MM. Emw.
I. Allgemeines.
a. Die deutschen Meere.
1. Die Nordsee ist durchschnittlich etwa 80 m tief. Ihr Wasser hat eine moos¬
grüne Farbe und einen bittersalzigen Geschmack. Gewöhnlich liegt sie still da. Weht
aber ein starker Nordwest, dann durchbricht der „blanke Hans" zuweilen die 6—10 m
hohen Deiche, die überall an der flachen Küste angelegt sind. Ehemals reichte die Küste
viel weiter ins Meer hinaus, und Dünen schützten das Land gegen das Meer. Ge¬
waltige Sturmfluten aber durchbrachen die Dünenwand und verschlangen große
Länderstrecken, die wir zur Zeit der Ebbe nur noch als sogenannte „Watten" erblicken.
Die Überreste jener Dünen sind die friesischen Inseln, die in langer Linie die Küste
umsäumen. Auch der Jadebusen, der Dollart und die Zuidersee sseuder —Süds
sind vor etwa 6 Jahrhunderten durch Sturmflut gebildet worden.
2. Ebbe und Flut. Alle Tage zweimal steigt und fällt das Wasser der Nordsee
(sowie das fast aller Meere). Das Steigen nennt man Flut, das Sinken Ebbe.
Dieses Steigen und Sinken wird durch die
Anziehungskraft des Mondes hervorgerufen.
Denken wir uns die ganze Erdoberfläche rings¬
um von Wasser umgeben, so würde dieses, wenn
keine andre Anziehungskraft als die Schwerkraft
in m wirksam wäre, eine gleichmäßige Kugelfläche
bilden. Tritt nun aber die Wirkung des Mondes
hinzu, so zieht er die ganze Erde näher an sich vczm>e.j
heran, und zwar die ihm zunächst liegenden Teile
viel stärker als die weiter entfernten. Bei A ist demnach die Anziehung des Mondes am
stärksten, weniger stark bei na, am schwächsten bei B. Bei A eilt das Meer (mit seinen leicht
verschiebbaren Teilchen) dem Mittelpunkte der Erde voraus, während es bei B hinter ihm
zurückbleibt. Gleichzeitig fließt das Wasser von 0 und D nach A und B ab Dadurch ent¬
steht bei C und D Ebbe und bei A und B Flut. Da der Mond jeden Tag etwa 49 Minuten
später an derselben Stelle aufgeht wie am Tage zuvor, so treten auch die „Gezeiten" jeden
Tag um 49 Minuten später ein. Steht die Sonne mit Erde und Mond in einer Linie
(beim Voll- und Neumond), so steigt die Flut am höchsten; wir nennen sie dann „Spring¬
flut". Kommt zur Flut ein Sturm hinzu, so heißt sie Sturmflut. Eine solche durchbricht
zuweilen die Deiche und begräbt ganze Landstriche für immer in den Wellen.
An den holsteinschen Küsten steigt das Wasser zur Flutzeit gewöhnlich 1—3 m
(an den Ostküsten Nordamerikas dagegen stellenweise bis zu 20 m) hoch. Alle Gräben,
Kanäle und Flußarme füllen sich dann bis an den Rand der Deiche, und die großen
Seefahrer ziehen mit gebauschten Segeln in die zur Ebbezeit unerreichbaren Häsen ein.
Tritt aber die Ebbe ein, dann wachsen überall Inseln aus dem Wasser hervor. Die
Schiffs sinken immer tiefer mit dem Wasser herab, und die Deiche steigen riesenhaft em¬
por. Auf dem entblößten Meeresgrunde aber kommen Muscheln, Krebse u. a. Seetiere
zum Vorschein, und Straudläufer, Möven u. a. Vögel haben dann reich besetzte Tafel.
3. Die Ostsee oder das baltische Meer hängt mit der Nordsee durch den Sund,
den großen und den kleinen Belt zusammen. Ihre bedeutendsten Buchten sind der
bottnische, finnische und rigaische Meerbusen. Ebbe und Flut sind kaum wahr¬
nehmbar. Da die Ostsee sehr viele Flüsse aufnimmt, so ist der Salzgehalt ihres
Wassers geringer als der der Nordsee. Auch hat sie kälteres Wasser als die
Nordsee; denn der Golfstrom (S. 165) vermag nicht mehr in die Ostsee einzudringen