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Ich sah mich nach meinem Schreiber um. Er hatte eben an¬
gefangen, die Quittungen auszufertigen, denn die Wenigsten hatten
sie geschrieben mitgebracht.
„Jst's euch recht, so will ich das ganze Gesetz einmal mit euch
durchgehen!" sagte ich. „Setzt euch doch; da sind Bänke und
Stühle! Ich will mit euch Alten Schule halten. Ihr dürst mich
fragen, wenn ihr etwas nicht versteht. Daheim müßt ihr's dann
andern sagen, wie sie sich zu Verhalten haben. Es ist ein Jammer,
wie wenig die Bestimmungen des Gesetzes bekannt sind, und wie
viele Versäumnisse und Verstöße vorkommen."
Alle stimmten freudig zu und suchten sich einen Platz. Es war
eine wunderliche Schule, diese Alten, Schwachen und Krüppel, die
aber alle ihre gespannten Blicke auf mich richteten.
„Ordnung ist in allen Dingen gut!" begann ich. „Darum will
ich die wichtigsten Bestimmungen des Jnvalidengesetzes unter
8 Fragen zusammenstellen.
I. Wer ist versicherungspflichtig?
a) Die Lohnarbeiter aller Berufszweige, Lehrlinge und Dienst¬
boten eingeschlossen;
d) alle Betriebsbeamten, wie Verwalter, Werkmeister und
Hausangestellte, alle Handlungsgehilfen und -Lehrlinge, alle Ge¬
mein, debeamten, Privatlehrer und -Erzieher ohne Pensionsan¬
sprüche, sofern ihr Jahresverdienst 2000 Jü nicht übersteigt;
c) die Hausgewerbetreibenden der Tabaksfabrikation und
Weberei ohne Rücksicht auf die Zahl der Arbeiter.
Der P e r s i ch e r u n g s z w a n g erstreckt sich auf männ¬
liche und weibliche Personen, die über 16 I a h r e alt sind.
Da ich eine kleine Pause machte, fragte unsere frühere Wasch¬
frau, die uun Altersrente erhielt: „Gehört denn unsere Anna, die
im Hause schneidert, nicht auch in die dritte Gruppe? Bis jetzt
ist sie nicht versichert und möchte es doch gern!"
„Sie muß es fr e i w i l l i g tun, da sie in keine der drei
Gruppen gehört!" antwortete ich. „Das ist meine zweite Frage:
II. Wer kann sich freiwillig versichern?
a) Alle unter Ib genannten Angestellten, die mehr als
2000 dl, aber nicht über 3000 dl Jahreseinkommen haben;
b) Gewerbetreibende oder sonstige Betriebsunternehmer, die
nicht regelmäßig mehr als 2 versicherungspflichtige Lohnarbeiter
beschäftigen, sowie Hausgewerbetreibende, sämtlich, soweit sich nicht
durch Beschluß des Bundesrats der Versicherungszwang auf sie
erstreckt."
„Zu den Hausgewerbetreibenden würde meine Anna ge¬
hören?" fragte unsere alte Waschfrau, „sie kann sich also frei¬
willig versichern?"
„Ja", sagte ich, „wenn sie das 40. Jahr noch nicht über¬
schritten hat und die vorgeschriebenen Beiträge allein trägt."