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Nun bleibt die Thatsache diese, daß jene Männer, wenn auch das Klima, 
die große Hitze Indiens, ihre Qualen steigerte, dennoch an schlechter Luft starben. 
Das Atmen besteht bekanntlich darin, daß unsere Lungen blasebalg¬ 
artig Lust ausströmen und einziehen. Die Luft, welche wir einziehen, ist 
gute, frische Luft, die ausgeströmte ist schlechte, unreine. Einen Teil derselben 
haben die Lungen zurückbehalten und sie mit dem Blute vermischt. Wenn 
wir einen Menschen in einen Kasten einsperren, wo keine frische Luft ihn 
erreichen kann, so muß er dieselbe Luft immer und immer wieder einatmen. 
Nach und nach werden alle guten Bestandteile der Luft verbraucht, und es 
bleiben nur die schlechten zurück; der Mensch muß sterben wie jene Unglück¬ 
lichen in Calcutta. 
Wo nun verschiedene Menschen schlafen, reicht die Luft für die Dauer 
der Nacht auch nicht aus; sie sind also genötigt, dieselbe Luft immer und 
immer wieder einzuatmen, so daß diese bis zum Morgen ganz untauglich 
für die Lungen ist. Die Erwachenden erheben sich dann müde und ange¬ 
griffen, anstatt erfrischt und gestärkt, wie das sein sollte. Ein kräftiger 
Mann merkt das wohl nicht, doch schwächliche Frauen und namentlich Kinder 
leiden darunter, ohne sich davon Rechenschaft zu geben. Wie oft hört man 
die Klage: „Ich stehe ebenso müde aus, wie ich mich hinlegte!" — Oft 
mag der Grund dafür der sein, daß die Lungen eine ungenießbare Luft 
eingeatmet haben. Und wenn nicht, Gott Lob, Thüren und Fenster meist 
so schlecht schlössen, so stände es hiermit schlimmer. Freilich gewöhnt man 
sich an die schlechte Luft und bemerkt sie kaum, so lange man selbst darin 
steckt, doch vermindert das ihre Schädlichkeit nicht. Wenn man aus 
einem ungelüfteten Schlafzimmer ins Freie tritt und dann wieder zu dem¬ 
selben zurückkehrt, da merkt man erst, wie schlecht die Atmosphäre ist. 
Reines Wasser, reine Luft, reine Haut, das sind die Haupt¬ 
bedingungen einer guten Gesundheit. 
Da wir die schlechte Lnst nicht sehen können, so ist es schwer, uns 
klar zu machen, wie verderblich sie ist; allein jene „unsichtbare Luft" kann 
einem Menschen ebenso sicher den Todesstoß geben, als versetzte man ihm 
einen Schlag auf den Kopf oder einen Messerstich ins Herz. Die entsetz¬ 
lichen Unglücksfälle find uns allen bekannt, welche wiederholt vorkommen, 
weil man leider noch so häufig die Unvorsichtigkeit begeht, das Ofenrohr zu 
einer Zeit zu schließen, wo die Glut im Ofen noch nicht gehörig ausge¬ 
brannt ist. Es entwickelt sich das sehr schädliche Kohlengas, dessen Gegen¬ 
wart sich für den Augenblick nur wenig bemerklich macht. Schlafen Menschen 
in einem solchen Zimmer, so findet man sie erstickt in ihren Betten. 
Viele Menschen haben schon beim Graben oder Reinigen von Brunnen ihr 
Leben verloren, indem sie eine mit einer großen Menge Kohlensäure ver¬ 
mischte Luft einatmeten, wie solche bisweilen dem Innern der Erde ent¬ 
strömt. Dieselbe Kohlensäure kommt auch in Kellern und Brauereien vor, 
wo Flüssigkeiten in Gärung begriffen sind, und die Luft kann an solchen 
Orten so giftig werden, daß Menschen, welche hineinkommen, auf der Stelle 
tot niederstürzen. Aus solchen Beispielen erkennt man, daß böse Luft 
kein bloßes Spiel der Phantasie ist.
	        
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