Romanisches Ornament vom Portal der Stiftskirche zu Aschaffenburg. 12. Jahrhundert.
K. Des Handwerkers Rohstoffe.
98. Natur, Arbeit, Kapital.
„Wie macht man den Roggen?" fragte mich mein kleiner Sohn
Ma.r heute, als ich mit ihm durch die Felder ging und ihn die
einzelnen Früchte, die wir da fanden, unterscheiden lehrte. Das
ist denn immer keine so ganz leicht zu beantwortende Frage, wie
einen solch ein kleiner Schelm so manches fragt, worauf nicht schnell
zu antworten ist.
Er wird nicht gemacht, antwortete ich, er wächst. Das ge¬
nügte cmd) fürs erste; denn unter all den Dingen der uns um¬
gebenden Welt ist es doch schon ein großer Unterschied, ob etwas
von Menschenhand gemacht wird oder ob das möglich ist, ob es
wächst. Ein wirkliches Roggenkorn kann niemand machen; es ist
ein Urstoff. Wenn aber der kleine Bursche weiter fragt: „wie
wächst denn Roggen?" dann ist die Antwort schwerer. Man kann
ihm sagen: Der liebe Gott läßt ihn wachsen und das ist auch
richtig; aber für das Verständnis ist damit nichts gewonnen; denn
zwischen dem lieben Gott und dem Roggenkorn liegen noch so
manche Zwischenvorgänge, die auch verstanden werden wollen und
können. Das Roggenkorn wächst durchaus nicht von selbst; wir
wissen sogar, daß unser heutiger Roggen ein Erzeugnis mensch¬
lichen Fleißes ist; denn er wächst nirgend wild. Um also das
Roggenkorn zu erzeugen, bedurfte es der Natur mit ihren Kräften
und der Arbeit des Menschen. Daß aber das Roggenfeld, das
ich hier vor mir sehe, so üppig unter dem Winde wogt, daß die
Halme so dick und hoch und die Ähren so schwer sind, das ist
auch nicht bloß das Werk der diesjährigen Arbeit seines Besitzers.
Die würde diesen Erfolg nicht erwirkt haben, das hat noch einen
andern Grund. Der Besitzer hat nämlich einen sehr guten, tief¬
gehenden Pflug und auch Eggen, Walzen und Sämaschinen von
seinem Vater ererbt; dieser war immer ein fleißiger Mann gewesen,
der den ganzen Hof in guter Verfassung hielt und auch die Ländereien