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Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär's ein Stück von mir.
3. Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad'.
Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib' du im ew'gen Leben
Mein guter Kamerad!
118. Wolfsgericht.
Karl Oppel. Viergeschichten. Wiesbaden, 1873.
Eine einsam gelegene Abtei in Frankreich hatte jeden Winter viel
von den Wölfen zu leiden. Wenn sie nicht mehr genügende Nahrung
in den Wäldern fanden, zogen sie sich hierher, suchten in den Hof zu
kommen, lauerten in Hinterhalten, bis ein Knecht oder ein Mönch
herauskam, oder bis sie einen Hund oder ein anderes Stuck Vieh
erwischen konnten. So war die Abtei förmlich belagert; es konnte
niemand aus noch ein ohne die augenscheinlichste Lebensgefahr.
Eines Winters nun, da eben die Not wieder begann, ließ der
Abt mehrere Jäger in der Nachbarschaft dringend ersuchen, sie möchten
ihn doch von seinen Feinden befreien, und jene waren auch recht gerne
bereit, die Untiere zu erlegen. Zwölf wohlbewaffnete Jäger trafen
nach ein paar Tagen ein und wollten die Jagd beginnen. Allein es
fiel so dicker Schnee, daß kaum durchzukommen war; jeder Gedanke
an eine Wolfsjagd mußte aufgegeben werden. Nun war an demselben
Tage ein Pferd gefallen. Das gab einem alten „erfahrenen
Jäger Veranlassung, eine List zu versuchen. Er ließ das tote Pferd
mitten in den Hof legen, an jeden Flügel des eisernen Hofthores ein
starkes Seil so befestigen, daß das Thor mit einem Ruck geschlossen
werden konnte; darauf verteilte er, als es dunkel wurde, die Jäger
mit ihren scharf geladenen Flinten an die verschiedenen Fenster, ließ
alle Lichter auslöschen und sodann das Hofthor offnen. Eine Todes—
stille herrschte in der Abtei. Da hörte man von ferne das Geheul
der Wölfe. Es kam näher und immer näher; ein ganzer Rudel der
beutegierigen Tiere rannte heulend heran bis an die hohen Mauern
und das offene Thor. Sie hatten das gefallene Pferd gewittert.
Aber keiner kam herein. Dazu waren sie viel zu klug. Sie fürchteten
eine Gefahr und wollten erst die Sachlage genau untersuchen. Ihr