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Das Strafverfahren
entweder die Sache zur Verhandlung dem Schöffengericht überweist
(f. Nr. 312) oder das Verfahren vor der Strafkammer oder dem
Schwurgericht eröffnet. In den beiden letzteren Fällen muß vor Er¬
öffnung des Hauptverfahrens dem Angeschuldigten die Anklageschrift
mitgeteilt und ihm eine Frist zur Stellung etwaiger Anträge gegeben
werden. Zugleich wird dem Angeschuldigten, der noch keinen Vertei¬
diger hat, in schweren Fällen vom Gericht ein solcher bestellt.
3. Das Hauptverfahren.
Ist das Hauptverfahren eröffnet, so fetzt der Vorsitzende den
Termin zur mündlichen Hauptverhandlung fest und bestimmt zugleich,
welche Zeugen und Sachverständigen hierzu geladen werden sollen.
Auch der Angeklagte kann die Ladung von Zeugen und Sachverstän¬
digen beim Gericht beantragen und, falls dem Antrag nicht statt¬
gegeben wird, sie selbst durch den Gerichtsvollzieher vorladen lassen.
Bei der Hauptverhandlung muß der Angeklagte zugegen fein;
nur in gewissen, weniger wichtigen Fällen kann er aus seinen An¬
trag wegen weiter Entfernung von der Verpflichtung zum Erscheinen
entbunden werden. Gegen einen unentschuldigt ausgebliebenen Ange¬
klagten erläßt das Gericht einen Vorführungs- oder einen Haftbefehl.
Die öffentliche" Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der
Sache und der geladenen Zeugen und Sachverständigen?" Die Zeu¬
gen müssen sich jedoch vorläufig wieder aus dem Sitzungsfaale ent¬
fernen. Nachdem sodann der Angeklagte über feine persönlichen Ver¬
hältnisse vernommen worden ist, wird zunächst der Beschluß über die
Eröffnung des Hauptverfahrens verlesen, der die dem Angeklagten
gitr Last gelegte Tat schildert. Es folgt die eingehende Ver¬
nehmung des Angeklagten über die Anklage. Hierauf werden die
Zeugen einzeln vorgerufen und abgehört. Die Vernehmung der
Zeugen und Sachverständigen geschieht, soweit zulässig, eidlich.^
Das Zeugnis darf nur aus den im Gesetze bestimmten Gründen 12
'' Wegen des möglichen Ausschlusses der Oessentlichkeit s. Nr. 219.
" Unentschuldigt ausgebliebene Zeugen und Sachverständige werden in Geld¬
strafen und in die durch eine Vertagung der Verhandlung entstehenden Kosten verfällt.
" Unbeeidigt werden jedoch vernommen Personen unter 16 Jahren,
sowie geistig unreife oder schwache Personen, ferner wegen Meineides mit Zuchthaus
Bestrafte (f. Nr. 274) und solche Personen, die der Teilnahme, Begünstigung oder
Hehlerei bezüglich der betreffenden strafbaren Handlung verdächtig sind; endlich in
der Regel die nahen Angehörigen und Verwandten des Angeklagten.
Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt der Verlobte,
der Ehegatte und die nahen Verwandten oder Verschwägerten des Angeklagten, ferner
Geistliche, Aerzte. Rechtsanwälte und öffentliche Beamte, soweit sie zur Verschwiegenheit
durch ihren Berus verpflichtet sind. Endlich können die Zeugen die Aussage auf
solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihnen oder ihren Angehörigen die
Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen würde.